Das Wacken Open Air ist weit mehr als nur ein Musikfestival. Metal-Fans aus den entlegensten Ecken der Erde träumen von einer Reise in das 1.800 Seelen Dorf und trotz 85.000 Besuchern ist stetig die Rede von Familie und Gemeinschaft. Was ist dran an der Faszination Wacken? Wird das Gelände zu Marketingzwecken absichtlich geflutet und wie kann es sein, dass sich 20.000 Menschen dazu hinreißen lassen den Werner Soundtrack mitzugrölen?
text Johannes Jacobi
redaktion Corinna Haug
fotos Dominik Wagner, Sascha Krautz, Felix Strosetzki
Was 1990 als kleine Rock- und Metal-Sause in einer Kiesgrube seinen Anfang fand, ist heute eine weltweit bekannte Marke. Neben dem Festival selbst geht es inzwischen um Bandmanagement, Tourbooking, Musikverlag, Merchandise Vertrieb und Ticketing. Es gibt Kreuzfahrten, Winterevents und weitere Festivals. Ein Metal-Riese mit über 50 Festangestellten und tausenden Mitarbeitern während den Veranstaltungen selbst.
Bemerkenswert ist daran vor allem, dass die beiden Gründer – Holger Hübner und Thomas Jensen – nach wie vor an der Spitze des Unternehmens stehen. Ein Discjockey und ein Bassist mit dem Traum vom Festival – Alles ist Möglich?
Neben eingefleischten Wacken-Fans, trifft man auch viele „Touristen“ auf dem Gelände. Menschen aus aller Welt wollen einmal im Leben die große Schlammschlacht erleben: Eins der unzähligen Merch Produkte erwerben; sich unkritisch dem stellenweise auffälligen Jahrmarkt-Flair hingeben; beim Wrestling den Säufer anfeuern, dem Straight Edge Typen aufs Maul zu hauen oder den Orgelspielenden Arzt Mambo Kurt auffordern, doch endlich hübsche junge Ladies auf die Bühne zu holen.
Es sind gerade das Rahmenprogramm, die Attraktionen am Rande, die langjährige Wacken-Gänger zu Sellout-Rufen einladen. Aber auch wenn man vom Über-Branding und allerlei Heckmeck genug hat, muss man doch anerkennen, dass die beiden Gründer und ihre Mannschaft nach wie vor für Metal und ihr Festival brennen. Es werden Risiken eingegangen, um zu optimieren. Zum Beispiel mit der sogenannten Drainage, die bei der Entwässrung des Geländes helfen soll. Obwohl die Schlammschlacht-Bilder ihren Werbezweck erfüllen, wurde seit 2008 über eine Million Euro investiert, um das Festivalerlebnis im wetteranfälligen Norden zu verbessern. Es wird auf die Kritik der Besucher gehört und sich nicht auf dem Hype ausgeruht. Das muss man ihnen hoch anrechnen und vielleicht kann man dafür auch darüber hinwegsehen, dass Torfrock vor mehr Leuten als z. B. Red Fang platziert wird. Es ist ein Metal-Fest mit Hang zur Partymeile. Aber die Ticketverkäufe und eine ständig wachsende Fangemeinde sind Beleg genug: Viel falsch macht man hier nicht. Meinen auch die von uns befragten Besucher…
Ich war dieses Jahr das erste Mal in Wacken und hatte einfach das beste Festivals meines Lebens. Es gab alles was man zum Glücklichsein braucht: Verdammt gute Musik, Bier, Sex, noch mehr gute Musik und außerdem habe ich meinen jetzigen Freund durch Zufall vor dem Iron Maiden Konzert kennen gelernt. Quasi Metal Liebe auf den ersten Blick - also ein gelungenes und unvergessliches Festival. Stay Metal! - Caroline, 18
Wacken bedeutet Party und Gemeinsamkeit mit meinem Sohn, der mich überhaupt erst zum Metal gebracht hat. Er hat jedem, der es hören wollte, auf Wacken gesagt: "Das Geilste ist, dass ich mit meiner Mutter hier bin." Was Schöneres hätte er nicht sagen können. - Kirsten, 52
Abgesoffen, zwei Tage und Nächte wach, vom Infield zurück zum Zelt, vollkommen und volltrunken verirrt, von Mit-Metallern aufgesammelt, durchgefüttert und beherbergt und zum Zelt zurückgebracht worden. Im Sanizelt gelandet: Zehen gebrochen. Neben mir auf der Liege holte sich ein Metaller Rat beim Sani, ob das Patch, was er sich gerade von den Kumpels auf den Oberarm hatte nähen lassen, aus naht- und hygienetechnischer Sicht so ok sei! - Katharina, 36
Zu viel Regen, zu wenig Bier! - Jörg
Zu unserem Wacken 2016 bleibt nur zu sagen: FASTER-HARDER-LOUDER. Wir haben es versucht... Bis die Security kam. „Mimimi ihr seid zu laut.“ Das gab natürlich Gelächter in der ganzen Ecke bei uns und die Rufe der Nachbarschaft haben uns dann ermutigt nochmals richtig Gas zu geben. 2017 geht die große Anlage mit, kein Kindergeburtstag. - Stefan, 50
Ich weiß ja nicht mal mehr was ich gestern getan habe. - Erina, 31
Die Bands spielen hier bedeutend kürzer. Da wo ich war haben manche Headliner drei bis vier Stunden gespielt. Ist auf der einen Seite natürlich cool, weil man mehr sehen kann, aber manchmal ist es zu schnell vorbei. - Katinka, 18
Fett. Gefällt mir richtig gut. Friedliche Stimmung ist genau das, was ich mir erhofft habe. - Lars
Iron Maiden gestern war schon richtig geil. Ich bin vorher noch nie auf der Crowd gesurft und jetzt habe ich das direkt sechsmal gemacht. Zweimal davon bis nach vorne, zweimal abgestürzt und zweimal halbwegs sicher mittendrin gelandet. Mir musste zwischendrin aber der Rücken auch wieder eingerenkt werden. Zum Glück haben wir einen Physiotherapeuten als Nachbar. - Andre, 25
Ja, ich bin dreckig und besoffen! - Charlotte, 17
Ich bin eigentlich schon zu alt für solche Festivals, aber ich liebe die Geselligkeit und einfach neue Menschen kennenzulernen. Einmal ist mein Sohn nicht nach Hause gekommen. Wir hatten eine Ahnung wo er sein könnte und genau da haben wir ihn auch gefunden, mit einer Flasche Korn und einer Flasche Cola auf dem Tresen. Das war für mich schon ein Highlight. - Jens, 61
Ich habe noch keinen Wackenianer erlebt, der irgendwie rumgepöbelt hat. Die sind hier alle ganz lieb und zahm. Selbst für das kleinste ‚Hallo’ wird sich hier bedankt. - Petra, 50