"Was geht schon auf’m Dorf?" Als Parole einer in der Stadt wohnenden Person klingt das kaum anders als ein Ausdruck der Hybris eines*r Kulturverwöhnten. "Aber was geht schon auf dem Dorf?" Aus dem Mund eines*r clubreifen Teenager*in auf der Suche nach dem Reiz erster nächtlicher Eskapaden klingt das schon ganz anders.
An diesem Wochenende Mitte August allerdings, konkurrieren viele weitere Seheindrücke mit Johannes-Pauls Elternhaus. Da sind die bunten, springenden Farben des Festivalzeltplatzes gleich rechts bei Ankunft auf dem Gelände. Dann, am linken Rand des Sichtfeldes, sind einige Autostellplätze ausgeschildert. Läuft mensch die Campingwiese zu seiner rechten und eine mit Obstbäumen bestellten, freigehaltenen Wiese zu seiner linken ab, geht es entweder runter zur Mainstage oder am Awarenesszelt und einem Essensstand vorbei geradewegs auf ein Volleyballfeld zu. Von dort eröffnet sich der Blick auf eine kleine Zweitbühne. Sie ist als verlassenes Dorf geschmückt und lässt die tanzende Menschenansammlung davor von außen gelegentlich wie einen festlichen Zwergenaufmarsch aussehen.
Nicht nur Johannes-Paul (20), sondern auch die anderen Veranstaltenden des Festivals, Flora Beutel (21), Matteo Schwarzbach (21), Leonard Wolff (22), Mauritius Lorenz (22) sind hier in der Gegend auf dem Land aufgewachsen – knappe 25 Autominuten von Bautzen entfernt, unweit der tschechischen Grenze.
Im ersten Jahr habe das Festival noch auf einer Wiese auf der gegenüberliegenden Bachseite stattgefunden und circa 300 Besuchende angezogen, darunter viele Bekannte des jungen Festivalteams. Mittlerweile versammeln sich hier um die 1.000 Besuchende aus ganz Deutschland, viele Jugendliche und junge Menschen kommen aus Dresden und Leipzig, vereinzelt auch aus Stuttgart, Hamburg und sogar aus Italien. Für Ticketkäufer*innen aus Berlin, die ebenso einen entscheidenden Anteil der Besuchenden ausmachen, gibt es die Möglichkeit, zusätzlich zu dem Eintritt eine Karte für den festivaleigenen Reiseshuttle direkt vom Alexanderplatz an den Zeltplatz zu buchen. Die steigende Besuchendenzahl hält die drei Festivalbesucherinnen Imina (19 Jahre), Naya (18 Jahre) und Aline (20 Jahre) aus Dresden nicht davon ab festzustellen, dass gerade der klein gehaltene Rahmen und der familiäre Vibe des WeGoApart with ART das Festival für sie ausmacht: „Es ist schon so ein bisschen die Neustadt verlagert in die Lausitz.“ Mit einem Schmunzeln schieben die drei Freundinnen die Erklärung hinterher: „Die Neustadt ist wie eines der Hipster-Viertel aus Berlin nur halt in Dresden. Die alternative, grüne Insel im braunen Meer. Die ganzen Leute aus der Neustadt, die trifft man hier alle wieder und es ist auch echt so ein bisschen wie ein Familientreffen geworden. Die, die weggezogen sind, kommen oft für das Festival wieder her und das ist ziemlich cool.“
Wie die Veranstaltenden so die Besuchenden.
Die Unterstützung bei dem Vorhaben der jungen Festivalschaffenden ist groß, von Eltern und Bekannten, aber auch durch die lokale Agrarwirtschaft und eben dem Verein der Motorsportfreunde, der ebenfalls Veranstaltungen für die Ortschaft ins Leben ruft. An diesem Wochenende trifft mensch sich an dessen rechter Hausfassade, um sich die Zähne zu putzen. „Wir haben gemerkt, entgegen auch womöglich gängiger Erwartung, dass viele und gerade die Älteren es gut finden, wenn junge Leute sich engagieren und einfach mal was machen.“
Bei ihrem Engagement zeigen sich die Veranstaltenden bescheiden und lassen keinen Moment aus, um sich Feedback von ihren Besuchenden einzuholen und zu erfahren, wo es noch nicht so gut läuft und was sie besser machen können.
Johannes-Paul erklärt: „Wir haben halt einfach gemacht und sind so in die Rolle hineingewachsen und so ist es heute immer noch.“
Im Zuge der Festivalvorbereitungen kommen die Freund*innen, die mittlerweile in Dresden, Berlin und Leipzig leben, jedes Jahr zu einer Handvoll an „working weekends“ zusammen. Die Zeit, sich gerade auch in Person zu treffen, ist knapp, alle studieren nebenbei oder machen Ausbildungen. Wenn es im Frühjahr an das Line-up geht, setzen sie sich an einem der gemeinsamen Abende zusammen und hören alle Künstler*innen durch, die sich an dem offenen Bewerbungsverfahren beteiligt haben. „Wir haben jedes Jahr super viele Bewerbungen und viele tolle Kunstschaffende, die sich bei uns melden. Natürlich schreiben wir auch Leute an. Aber so kommt das dann zustande: Wir schauen gemeinsam, wen wir dabeihaben wollen.“