35 Media-Team Mitglieder vor Ort, Bandankündigungen, Kommunikation bei Unwettern, kleine Shitstorms, Publikums-Feedback ver- und bearbeiten und wichtige Infos gut verpackt an die Gäste tragen. Der Job des Social Media Managements vor und während eines Festivals ist einer der wichtigsten und benötigt überdurchschnittlich viel Fingerspitzengefühl.
text Johannes Jacobi
fotos Summer Breeze Open Ai
Wir haben mit dem Social Media Manager des Summer Breeze Open Air gesprochen und wollten wissen, wie die Arbeit hinterm Bildschirm bei einem Metal Festival mit 45.000 Gästen ausschaut.
Hey und hallo, stell dich zum Einstieg doch bitte kurz vor. Wie alt bist du, was ist dein Aufgabenbereich beim Summer Breeze und wie kam es zu dem Job?
Hi, mein Name ist Roman, ich bin seit 2015 beim Summer Breeze verantwortlich für die Social Media Kanäle, betreue verschiedene Projekte, bei denen grundsätzlich das Erschaffen und Ausliefern von Nachrichten und Medien rund um das Festival die Kernaufgabe ist. Ich plane das festivaleigene Media-Team vor, stelle dieses zusammen und koordiniere das Team auch vor Ort.
Zum Kontakt mit Achim, meinem Chef, kam es durch Empfehlungen von Freunden (Grüße an Phil). Ich bin Autodidakt. Bei einem Beruf, der sich vor allem online abspielt, liegen die Fortbildungen (meist kostenfrei) auf dem digitalen Highway, von dem man sich seine Informationen „aufsammeln“ kann.
Wie promote ich meine Band im Social Web? Wie promote ich eine Veranstaltung im Social Web? Da kann man sich tatsächlich meistens bei anderen Bands und Events so inspirieren lassen, dass mit ein wenig Recherche und einer etwas größeren Prise Kreativität interessante neue Möglichkeiten entstehen. Oft geben auch die speziellen Kanäle die Möglichkeiten vor, die man dann umsetzen kann. Wenn Facebook einem zum Beispiel die Möglichkeit gibt, eine Veranstaltung zu erstellen, dann macht es einfach Sinn, das auch zu tun.
Wie dürfen wir uns einen normalen Bürotag bei dir vorstellen?
Es gibt keinen Standardtag, was die Arbeit sehr angenehm macht. Jedoch gibt es logischerweise ein Tagesgeschäft, das sich wiederholt. Ich starte zwischen 09:00 Uhr und 10:30 Uhr im Büro und habe schon auf dem Weg zur Arbeit relevante Podcasts oder neue Alben auf den Ohren. Grundsätzlich höre ich mindestens sechs bis sieben Stunden Musik täglich. Zu meinem Alltag gehört auch die Auswahl der Kollegen, die mit mir im Büro sitzen werden. Fragen, die von Gästen (oder potenziellen Gästen) im Facebook-Messenger, in unserem Forum, über unser Kontaktformular, auf Instagram oder per Mail gestellt werden, die beantworte ich so deutlich wie möglich. Das Verwalten der Facebook-Kommentare und das Analysieren der Stimmung unserer Community zählt definitiv zum täglichen Ablauf. Neben dem Community Management liegt natürlich noch alles rund um das anfangs erwähnte Thema „Erschaffen und Ausliefern von Nachrichten und Medien rund um das Festival“ auf dem Tisch. Über das Erfragen von Freigaben bei Labels bis hin zum Ausführen von vorgeplanten Posting-Plänen ergeben sich täglich neue Themen und Aufgaben. Die Homepage und die App werden ebenfalls von mir betreut und ich hüte bei uns im Team auch alle Medien, die in den unterschiedlichsten Bereichen relevant werden. Anfragen des Infrastruktur-Teams nach Luftbildern, des Marketing-Teams nach Impressionen für Anzeigen oder Bildern zum Erstellen der neusten Nachrichten suche ich dann aus unserem Archiv. Einen festen Termin für den Feierabend gibt es nicht, was ich sehr vorteilhaft finde. Kreative, produktive Phasen schieben den Abschluss des Tages recht oft nach hinten. Falls man aber zum Beispiel relativ früh auf ein Konzert im Umkreis starten möchte, dann wird man von niemandem aus unserem Team im Büro festgehalten, wahrscheinlicher ist, dass man dann begleitet wird.
Und wie schaut dagegen ein ganz normaler Festivaltag bei dir aus? Bist du immer mit vor Ort? Was gibt es zu tun?
Ich bin circa drei Wochen „auf dem Feld“ und habe in der Nähe des Geländes eine Unterkunft. Das Media-Team Headquarter befindet sich im Vereinsheim des Dinkelsbühler Aeroclubs. Dort quartiere ich mich, bevor rund 35 Media-Team-Mitglieder nachkommen, erst einmal alleine ein und schaue dann, dass Strom, Netz und auch der Kühlschrank stabil funktionieren.
In den Festivaltagen wird dann mit der Hilfe aller Crewmitglieder nach intensiver Vorplanung alles so gut wie möglich umgesetzt. Was für Bilder werden geschossen? Was für Videoprojekte setzen wir um? Wann startet das Flugzeug für das Luftbild? Welche Redakteure schreiben topaktuell über welche Band? Kurz: Wir sammeln während circa fünf Tagen alle Medien, die dann im kommenden Jahr gebraucht werden, ob für die Nachberichterstattung oder die Vorbereitung auf das folgende Festival. Gleichzeitig werden diese Medien (Daily Video Impressions, Fotos) dann auch direkt während des Festivals veröffentlicht.
Falls es sicherheitsrelevante Nachrichten gibt, verteile ich diese auch digital (z.B. Unwetterwarnungen über unsere App). Hier ist es wichtig, eng mit unserem Sicherheitsteam und unserem Veranstaltungsleiter zusammenzuarbeiten.
Die Erwartungshaltung bei Festivalgästen, was das Line-Up und die Infrastruktur eines Festivals angeht, sind selten bis nie erfüllbar. Inwiefern beeinflussen Wünsche und Forderungen das Festival und wie geht ihr in der Kommunikation damit um?
Ich muss deiner ersten Aussage widersprechen. Wir haben ein enges Verhältnis zu unseren Gästen und freuen uns riesig über jede Rückmeldung. Und wir stellen fest, dass das Preisleistungsverhältnis beim Publikum tatsächlich sehr oft so wahrgenommen wird, wie wir es selbst einschätzen. Beim Summer Breeze spielen die größten Bands der verschiedensten Metal und Hardcore Genres und dazu noch extrem viele Bands, die ihre „große“ Zeit noch vor sich haben, aber jetzt schon auf Top-Niveau auftreten.
Wir merken, dass die Gäste das Geschehen nachvollziehen können und uns da sehr selten unrealistische Aufgaben zuschieben. Wenn das der Fall ist, dann gehen wir darauf natürlich auch ein und freuen uns über jede Diskussion.
Zum Thema Infrastruktur: Da gibt es tatsächlich manchmal Forderungen, die wir nicht umsetzen können. Wenn viele Gäste zur gleichen Zeit anreisen, dann sind zum Beispiel Wartezeiten nicht zu vermeiden. Wie an jeder Schleuse, an jeder Supermarktkasse oder an der Pommesbude. Wir versuchen das natürlich mit den sinnvollsten Mitteln zu entzerren, die nicht unbedingt enorme Kostensteigerungen mit sich bringen. Die Möglichkeit, dass Gäste schon einen Tag früher anreisen können, hat schon vieles verbessert.
Grundsätzlich lassen uns die Gäste, wohlgemerkt zum Glück, immer wissen, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Es gibt nämlich natürlich auch Bereiche, in denen wir tatsächlich Fehler machen und das ohne Rückmeldung möglicherweise nicht ausreichend wahrnehmen würden. Als Beispiel dient vor allem die teilweise ungenügende Versorgung im Sanitärbereich. Zu wenige Dixis, die zu selten gesäubert wurden, waren die Folge einer unzureichenden exakten und definitiven Kommunikation mit unserem Partner im Sanitärbereich. Da haben wir sehr deutliche Rückmeldungen bekommen und dieses Jahr wird das besser. Dazu gibt es in diesem Fall sogar News, die das Versprechen zur Verbesserung „offiziell“ machen werden.
Wir werden bei überzogenen Forderungen nach Möglichkeit immer die Gründe nennen, warum wir die Forderungen nicht erfüllen können oder sogar wollen. Offene und elaborierte Antworten sind da unsere Zielsetzung.
Gerade wenn es um Bandankündigungen geht, findet Online-Kommunikation auf dünnem Eis statt. Konstruktive Kritik ist selten, geschimpft wird oft. Ist es schwer, so etwas nicht persönlich zu nehmen und was für einen Einfluss hat das auf deine Arbeit?
Teilweise ist es wirklich anstrengend, wenn man nicht erst mal tief Luft holt. Es wird dann aber auch klar, warum manche Leute ziemlich lauthals negativ reagieren. Die Leute erwarten etwas, das vor allem mit ihren Erfahrungen zusammenhängt. Wenn einem Gast das Summer Breeze Open Air 2017 so gut gefallen hat, dass er die Karte für 2018 schon im September holt und gerade dann nur wenige seiner Favoriten für 2018 bestätigt werden, dann ist der Gast logischerweise enttäuscht. Hoffentlich hört dieser Gast aber erst mal bei allen Bands rein, die er noch nicht kennt. Das wollen wir dementsprechend so einfach wie möglich gestalten (Youtube Clips, Hörbeispiele in unserer App, etc.). Persönlich nehme ich Kritik zu Bands nie.
Jedoch gibt es den einen Vorwurf, der mich immer wieder verwundert. Der Vorwurf, dass das SUMMER BREEZE Tickets verkaufen möchte und mit verschiedenen Angeboten auf eine funktionierende Zukunft des Festivals abzielt. Ja, natürlich spielt es eine Rolle, wie viele Menschen uns ein Ticket abkaufen, wir wollen nämlich fortführen, was in den letzten 21 Jahren das Leben vieler rund um das Summer Breeze erfüllt hat. Dem Vorwurf „Das macht ihr nur, um Tickets zu verkaufen!“ können wir gewissermaßen vollkommen zustimmen.
Im Endeffekt macht die Online-Kommunikation aber auch sehr viel Spaß, weil der Großteil der Leute echte und positive Emotionen in ihre Kommunikation mit uns stecken. Das ist klasse!
Gibt es ein besonders unangenehmes Beispiel von „Trollerei“, an das du dich erinnerst? Irgendeine Situation, die etwas aus dem Ruder gelaufen ist und wo ihr euch besprechen musstet, wie zu reagieren ist?
Tatsächlich ist noch nie Derartiges passiert. Es gibt aber hartnäckige Trolle, die sich immer wiederholen. Argumente, Fakten und auch Eingeständnisse bringen da nicht wirklich was. Wenn jemand, der das Summer Breeze auf Facebook abonniert hat, nur um uns mitzuteilen, dass die Bands ihm nicht gefallen und das der Grund ist, warum er sowieso seit fünf Jahren nicht mehr kommt, dann investieren wir die Energie eher in etwas Ergiebigeres. Zum Beispiel ein wiederholtes Posting zu jüngeren Bands oder Newcomern, denen wir mehr Unterstützung zukommen lassen wollen.
Bei Beleidigungen und extremen Ausfällen zögern wir meist nicht lange und verbergen die Posts. Das hat keinen Platz bei uns.
Neben den negativen Momenten gibt es ja auch viele zufriedene Fans. Gibt es da eine besonders schöne Anekdote aus der Kommunikation?
Ja! Wir haben eines Tages eine recht lange Nachricht von einem jungen Herrn bekommen. Sein Name ist Abed und er arbeitet seit gut zwei Jahren in der IT-Branche, irgendwo im Rheintal. Er ist Syrer und aus seinem Heimatland geflohen. Das Summer Breeze gab ihm die Möglichkeit, viele seiner Lieblingsbands an einem Platz zu sehen. Dafür hat er sich ausführlich bei uns bedankt. Das war richtig schön.
In den letzten Jahren wurden diverse Festivals heftig von Unwettern getroffen und mussten teilweise unter- oder abbrechen. Inwieweit hat das Einfluss auf eure Vorbereitung zum eigenen Festival? Wie darf man sich die Arbeit in der Kommunikationsabteilung in so einem Fall vorstellen?
Wir hatten damit auch schon zu kämpfen, jedoch wurden wir vom heftigsten verschont. Im Jahre 2015 wurde das Festival für 60 Minuten unterbrochen und das Programm wurde dann mit extrem wenig Ausfall von Spielzeiten fortgesetzt. Wir bereiten uns mit allen relevanten Stellen bestmöglich vor, Gespräche mit Polizei und Feuerwehr sind da natürlich Pflicht. Die Sicherheit unserer Gäste ist ein extrem wichtiges Thema. Wir bereiten die verschiedensten Szenarien fiktiv vor, Grafiken, Texte und die Abläufe zur Veröffentlichung der Informationen werden dementsprechend auch vorgeplant. Wir hatten zum Jubiläum 2017 einen Meteorologen auf dem Platz, der uns auf dem kürzest möglichen Kommunikationsweg Informationen zum Wetter geben konnte.
Meistens läuft ja doch alles nach Plan. Wie viel Freizeit hast du dann auf dem Festival und schaffst du es, dir selbst Bands anzuschauen?
Während des Festivals und vor allem während die Bühnen bespielt werden, bleibt keine Zeit, frei zu wählen, was man unternimmt. Zum Glück kann ich, weil der Job es so mit sich bringt, die ein oder andere Band knipsen und auf den unseren Social Media Kanälen darüber berichten, z.B. „Band XY startet jetzt auf der Main Stage!“. Dann erlaube ich mir es schon mal, an der Main Stage vorbeizuschauen.
Welchen Act, den du unbedingt sehen wolltest, hast du aufgrund deiner Arbeit schon verpasst?
Ich habe leider nur eine knappe Minute der Katatonia-Show im Jahre 2016 sehen können. Das war echt uncool und leider habe ich im vergangenen Jahr auch nur einen Song Cryptopsy schauen können. Ich glaube, dass aus unserem Team kaum jemand mehr als drei Konzerte anschauen kann. Auch wenn das ein oder andere Mal ein paar Minuten aus dem Augenwinkel machbar sind.
Was sind aktuell noch die größten Baustellen bei euch für 2018?
Tatsächlich gibt es nicht die eine große Baustelle, sondern sehr viele kleine. Alle Themen bzw. Aufgaben müssen früh genug angestoßen werden, um rechtzeitig vor dem Festival alles so reibungslos wie möglich bereitzustellen. Davon sind die größten Aufgaben meinerseits: Überarbeitung des Festival ABCs, Vorbereitung auf die Datenschutz-Grundverordnung und die genaue Planung der sicherheitsrelevanten Meldeketten auf dem Gelände. Gleichzeitig arbeiten wir momentan noch an guten Nachrichten, die unsere Gäste sicherlich gerne hören werden.
Worauf bzw. auf wen freust du dich beim diesjährigen Festival besonders?
Mein persönliches Highlight wird wahrscheinlich, wenn ich meinen Eltern mal zeigen kann, was ich arbeite. Die beiden werde ich dieses Jahr nämlich einladen. Programmtechnisch versuche ich vor allem Misery Index, The Sleeper und The Spirit nicht zu verpassen. Ich freue mich immer auf das Media-Team und auch die Action, die da wieder entstehen wird.
Ein Festival, das du in der Vergangenheit schon oft selbst besucht hast und eins, auf das du unbedingt in der Zukunft noch möchtest?
Das ist schwer. Die meisten Festivals, die ich in der Vergangenheit besucht habe und wo es mir sehr gefallen hat, auf denen war ich nicht oft: Berlin Deathfest, Tel Aviv Deathfest und z.B. das Blastfest in Norwegen. Ich war schon oft auf dem Metalacker im Schwarzwald, dem Euroblast in Köln und werde dort auch bestimmt in Zukunft wieder sein. Im Mai ging es auf das Reykjavik Deathfest und ansonsten plane ich irgendwann mal Festivals in Kanada zu besuchen. Das Eurosonic in Holland, genauso das Reeperbahn Festival stehen ebenfalls auf dem Plan.
Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg weiterhin.
Tausend Dank auch von meiner Seite!