Nulltarif für Geringstreamer


Pro Musik geht Spotify an


Image
Manfred Tari

Isabel Roudsarabi

Till Petersen

4 Minuten

Gegründet im Mai 2021 als Standesvertretung der freien Musikschaffenden, ist dieser noch junge Verband maximal unzufrieden mit den vom Streaming-Anbieter Spotify zum Jahresbeginn neu ausgelobten Vergütungsmodalitäten. Der Unmut darüber, dass das Unternehmen einmütig entschieden hat, Musiklieferant*innen erst ab 1.000 jährlichen Streams zu bezahlen, ist groß.

Der Verteilungsschlüssel des sogenannten „Streamshare”-Pool von Spotify genießt den Nimbus einer geheimnisumwobenen Black Box. Nichts Genaues weiß man nicht, außer das Labels, vornehmlich die Großen, sehr gut am Streaming verdienen. Schlagzeilen wie „Vergütung für Künstler ist erbärmlich: Wer verdient am Streaming von Musik?“ jedoch lassen vermuten, dass die große Mehrheit der Kleinen und weniger oft gehörten Musikmachenden nicht auf ihre Kosten kommen.

Eine Petition für die Kleinsten

Während die Gewerkschaft der Lokführenden (GDL) oder die Writers Guild of America immerhin einen Stammplatz am Verhandlungstisch mit ihren jeweiligen Tarifpartner*innen haben, kann sich Spotify dem Anschein nach seine Verhandlungspartner*innen selbst aussuchen. Pro Musik gehört offenbar nicht zu diesem Kreis und versucht sich anstelle dessen mit der Petition „Vergütungsänderungen bei Spotify: Wir fordern sofortigen Stopp“ Gehör zu verschaffen.
Image
Zu den Erstunterzeichnenden gehören unter anderem Antje Schomaker, Nadine Fingerhuth, Klee und Von wegen Lisbeth.

Anmerkung am Rande: Anstatt auf Change.org wäre die Einrichtung der Petition auf der Webseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags politisch besser aufgehoben.

Denn kurz nach dem Jahreswechsel haben sich bereits über 50.000 Teilnehmende (55.075 bei Redaktionsschluss) der besagten Petition angeschlossen. Ab dieser Zahl hätte sich dieser Ausschuss ganz offiziell damit beschäftigen müssen, was die Wirkmächtigen von Spotify vielleicht dahingehend bewegt hätte, die Lobbyist*innen des Unternehmens zumindest für einen Tagesausflug von Brüssel nach Berlin zu schicken.

Infield.live bat Ella Rohwer, Geschäftsführerin von Pro Musik, Fragen zur Petition und darüber hinaus zu beantworten:

Image

Ella Rohwer


Geschäftsführerin von Pro Musik
"Survival of the fittest, Turbokapitalismus at its best." - Heißt es im Statement von Pro Musik zu den Vergütungsänderungen bei Spotify. An wen richtet sich die begleitende Petition und was wollt ihr damit erreichen?

Erstmal richtet sich die Petition an den Marktführer Spotify, der mit einem Marktanteil von 30% einer der Streamingdienste ist, die am schlechtesten bezahlen und nun einen weiteren Schritt planen, der kleinere Musikacts von der Vergütung ausschließt, die ohnehin schon schlecht ist.

Es geht dabei darum eine breite Masse auf die Änderungen aufmerksam zu machen. Dazu gehören Konsument*innen, Musiker*innen und die Politik.

Inwiefern agiert Pro Musik politisch?

Wir verstehen unsere Arbeit als Schnittstelle und Übersetzung zwischen Musikschaffenden und der Politik. Das heißt, dass wir auf Probleme aufmerksam machen, die es in unsere Szene gibt und versuchen, dafür politische Lösungen zu finden. Genauso versuchen wir aber auch Musiker*innen Informationen weiterzugeben, die sie zur Professionalisierung benötigen.
Image
In dem konkreten Fall der Petition, liegt es nah, nicht nur den Konzern direkt zu kontaktieren, sondern auch nach politischen Lösungen für die Thematik zu suchen.
Die Musikbranche entwickelt sich immer mehr zur sogenannten Plattform-Ökonomie, in der wenige, dafür aber sehr große Unternehmen ganze Marktsegmente bestimmen und dominieren. Seid ihr der Ansicht, dass dieser Aspekt seitens der Politik auch in Bezug auf das Musikgeschäft hinreichend bedacht und verstanden wird?

Ella Rohwer: In Bezug auf die Entwicklung von Tonträgern zum Streamingmarkt hat sich in den letzten 10 Jahren eine rasante Entwicklung abgezeichnet, für die es - wie in anderen digitalen Märkten - keine ausreichenden politischen Lösungen gibt.

Die Bundesregierung arbeitet gerade an einer großen Studie in der es um verschiedene Vergütungsmodelle im Musikstreaming gehen soll (User-Centric vs. Pro rata).

Image
Während aber nach konstruktiven Lösungen gesucht wird, bewegt sich der Markt in eine andere Richtung und die Plattformen denken sich schlicht neue Regeln aÅus, von denen wir nicht wissen welche Auswirkungen sie haben, weil wir keine Daten erhalten um dies herauszufinden.
Es entsteht dadurch der Eindruck, dass die Streamingdienste bewusst intransparent agieren um Veränderungen zu vermeiden, die eine Umverteilung der Vergütung zur Folge hätte.

Anlässlich der Erfolge und der Popularität von Superstars wie Taylor Swift oder Beyoncé, unterschätzen eurer Meinung nach die politischen Akteur*innen in Brüssel oder Berlin das gesellschaftliche Interesse an Musik?


Ella Rohwer: Das Problem, dass Kultur als Arbeit gesellschaftlich und politisch nicht genug anerkannt und wertgeschätzt wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Diese fehlende Anerkennung spiegelt sich in der schlechten Bezahlung in vielen musikalischen Bereichen wieder, wie in der Lehre und der Bezahlung in freien Projekten. Sichtbar ist dies aber eben auch dadurch, dass wir uns kollektiv daran gewöhnt haben, dass man für 10-15€/Monat jede nur denkbare Musik konsumieren kann.
Image
Vielen ist dabei nicht bewusst, dass die wenigsten Musikschaffenden hinter den Profilen von den Ausschüttungen leben können. Ich glaube, dass es daher wichtig ist, Politiker*innen wie auch die Gesellschaft mehr für das Thema zu sensibilisieren.
Und uns ist es insbesondere wichtig, denen eine Stimme zu geben, die nicht gehört werden, weil sie nicht prominent oder groß genug sind. Wir haben Stand jetzt 55.075 Unterschriften, die zeigen, dass es sich nicht um eine kleine Gruppe von Einzelkämpfer*innen handelt, sondern dass viele sich eine Veränderung wünschen.
Wie würdet ihr eure politischen Forderungen skizzieren?

Ella Rohwer: Die konkreten politischen Forderungen können wir vor allem nicht alleine stellen. Wenn wir erfolgreich Gesetze ändern wollen um eine faire Vergütung im Bereich Streaming zu ermöglichen, müssen alle vertretenden Verbände mit am Tisch sitzen. Es geht für uns aber darum, dass im Musikstreaming die Musikschaffenden nutzerbasiert und angemessen vergütet werden.