Nora Steiner und Madlaina Pollina sind Steiner & Madlaina und das schon seit sechs Jahren. Obwohl schon so lange zusammen unterwegs, geht es gefühlt gerade erst los. Grund genug, sie beim diesjährigen Orange Blossom Special Festival zu begleiten und im Interview herauszufinden, was sie aktuell beschäftigt, wie sich der Weg zur Vollzeit-Musikerin anfühlt und was persönliche Wünsche und Vorstellungen für die Zukunft sind.
text Johannes Jacobi
redaktion Verena Simon
fotos Jean-Paul Pastor Guzmán
Das OBS steigt im Garten ihres Labels Glitterhouse und markiert den ersten Festivalauftritt von Steiner & Madlaina auf deutschem Boden. Das lang erwartete Debütalbum kommt zwar erst im Oktober, aber hier geht es trotzdem direkt auf die Hauptbühne. Logisch, dass kurz vor dem Konzert noch eine Gitarrensaite reißt. Bezeichnend aber auch, dass von überdurchschnittlicher Nervosität trotzdem kaum was zu spüren ist.
Einen Tag und zwei Nächte verbringen Steiner & Madlaina und ihre beiden Mitmusiker auf dem OBS. Zeit genug für uns nah dran zu bleiben, ihren Aufenthalt zu dokumentieren und beim Frühstück ein ausgedehntes Gespräch zu führen. Das erste von zwei Gesprächen wohlgemerkt, denn 2019 werden wir sie erneut treffen und herausfinden, wie es mit dem von allen Seiten prophezeiten Aufstieg vorangeht.
Ich wollte Diplomatin werden.
Stellt euch gerne mal kurz vor, ihr zwei!
M: Ich bin Madlaina, 22 Jahre alt und ich lebe in Zürich.
N: Ich heiße Nora, bin 24, nein, ich bin 23, ich werde erst noch 24 (lacht), und ich wohne ebenfalls in Zürich.
Wann war euer erstes Konzert zu zweit?
N: Puh! Das weiß ich nicht mehr, das müsste ich schnell nachschauen. Es war auf jeden Fall in einem Café in Zürich und wir haben wegen dieses Konzerts unsere Band gegründet.
M: Eigentlich haben wir damals noch in einer Instrumentalband gespielt und wir saßen in diesem Café und dachten, es wäre schön, dort mal mit der ganzen Band zu spielen. Aber da war nicht genügend Platz, also haben wir uns eben entschieden, zu zweit zu spielen. Und wir haben dann auch gleich gefragt, ob wir dort mal spielen können und die meinten sofort: Ja! So ging das dann los.
N: Wir hatten eigentlich schon länger die Idee, zu zweit zu spielen, aber keine Vorstellung, wie es sein könnte. Damals haben wir dann einfach gemacht und nicht viel überlegt. Und wir waren auch erst einmal ziemlich schlecht. (lacht)
M: Aber all unsere Freunde sind zu den Auftritten gekommen und ihnen hat es so gut gefallen, dass unsere Konzerte plötzlich richtig gut besucht waren. Das hat dann natürlich viel Spaß gemacht. Und dann lief das irgendwie einfach.
Wie waren eure Lebensumstände zu diesem Zeitpunkt?
N: Wir waren noch in der Schule, da haben wir uns auch kennengelernt. Und wir haben noch bei unseren Eltern gewohnt.
Und was war damals eure Vorstellung von der Zukunft?
M: Die habe ich noch immer nicht so wirklich! (lacht)
N: Ich wollte Diplomatin werden.
M: Echt?
N: Ja!
M: Aber das ist so gar nicht dein Ding!
N: Ich weiß, aber ich wollte eben Diplomatin werden. Aber nein, heute will ich das nicht mehr. (lacht)
M: Ich hatte keine Ahnung, was ich machen wollte. Deshalb fand ich es gut, auf dem Gymnasium zu sein. Da gewinnt man Zeit, weil man so lange wie möglich zur Schule geht und nicht direkt arbeiten muss.
Wie viele Shows habt ihr seither gespielt? Mehr als 50 oder weniger?
Beide gleichzeitig: Mehr!
N: Wir hatten allein letztes Jahr 50 oder 60 Auftritte. Aber ich habe keine Ahnung, wie viele es insgesamt in den letzten Jahren waren.
Habt ihr eure Auftritte anfangs selbst organisiert oder hattet ihr schon immer Booking?
M: Wir haben uns erst selbst darum gekümmert oder eigentlich hatten wir in den ersten drei Jahren einfach Glück, weil wir ganz schlecht im Organisieren sind (lacht). Aber es hat trotzdem irgendwie geklappt. Wir hatten mal vor, von Café zu Café zu gehen, um unsere CDs zu verbreiten, aber wir waren dann nur in zwei Cafés, dann haben wir lieber einfach Kaffee getrunken (lacht). Aber Zürich ist klein, da spricht sich das dann auch einfach rum.
N: Ja, irgendwie hat sich immer was ergeben. Und dann hatten wir irgendwann Booking, das hat uns dann viel geholfen.
Bei einer Hochzeit mussten wir drei Stunden am Stück spielen und uns nach hinten zum Personal verziehen, wenn wir was essen wollten.
Gab es da sicher einige lustigen Auftritte, eine Autohaus-Eröffnung zum Beispiel?
M: Ja, davon gab es schon viele! Vor allem bei Privatanlässen. Hochzeiten sind die lustigsten.
N: Eine war ganz grandios! Die war irgendwo mitten in den Bergen und der Pfarrer war komplett besoffen. Die Familie war zum Teil aus Australien und der Pfarrer hat versucht, Englisch zu sprechen, aber irgendwann hat er das Blatt einfach weggelegt und nur noch auf Schweizer-Deutsch geredet. Für das Paar war das glaub ich total schlimm, wir fanden es köstlich. (lacht)
M: Also alleine könnte ich das aber nicht. Zusammen haben wir dann schon unseren Spaß und beobachten einfach die Leute.
N: Es kann dann aber schon auch anstrengend sein. Bei einer Hochzeit mussten wir drei Stunden am Stück spielen und uns nach hinten zum Personal verziehen, wenn wir was essen wollten. Wir haben viel zu wenig Geld verlangt. Und dann mussten wir auch noch Bruno Mars und so was spielen. Es gab auch einen Song, einen deutschen Schlager à la Atemlos, den haben wir uns angehört und ich habe sofort gesagt, dass ich das nicht mache. Das mache ich für kein Geld der Welt! Der allerlustigste Auftritt war aber eigentlich unser allerallererstes Konzert, damals in der Schule noch. Wir hatten eine Skart-Band, unsere Klassenkameraden trugen T-Shirts mit dem Bandnamen und dem Schlagzeuger wurde die ganze Zeit schlecht, weil er so nervös war.
M: Stimmt! Chronische Bauchschmerzen hatte er.
N: Das muss man sich mal überlegen: Ein Schlagzeuger, der nicht live spielen kann, außer er nimmt eine Menge Medikamente. Und dann hatten wir noch einen Trompeter, der immer solo spielen wollte und ich war an der E-Gitarre und wollte auch immer solo spielen und wir haben uns gegenseitig immer reingespielt. Madlaina hat gesungen und wir hatten noch zwei Stunden vor dem Konzert niemanden, der den Bass spielt. Und dann hat Madlaina auch noch das Akkordeon zu Hause vergessen. Wir hatten wirklich nichts im Griff! Und dann gab es auch noch Rückkoppelungen und keiner von uns wusste, was zu tun ist. Das Ganze wurde dann auch noch gefilmt!
Wann habt ihr euch entschieden, dass ihr das Ganze professioneller angehen wollt?
M: Das wurde uns irgendwie abgenommen. Nach der Schule waren wir beide reisen, währenddessen haben Freunde ein Festival organisiert und beschlossen, ein Label zu gründen. Und sie haben uns gefragt, ob wir dabei sein wollen. Das war dann für uns dieser Moment. Da wussten wir, wenn wir das jetzt machen, dann machen wir das richtig. Ich habe auch direkt gewusst, dass ich das unbedingt will und nicht studieren gehe.
N: Ich habe noch ein halbes Jahr studiert, aber eben auch die Konzerte immer gespielt und dann auch schnell gemerkt, dass ich nur das machen will. Wir reden aber immer wieder darüber, es gibt ja immer wieder Dinge, die passieren, aber eigentlich ist es keine Frage, dass wir das bei so wollen. Es ist uns aber wichtig, dass wir uns da austauschen, nicht dass eine irgendwann andere Pläne hat und die andere nicht mehr weiß, was sie dann tun soll.
M: Das passiert bei uns automatisch, weil wir vor allem befreundet sind und nicht nur zusammen wohnen oder Musik machen. Mit Freunden bespricht man ja sowieso, was einem wichtig ist.
Bisher hatten wir einfach auch noch nie viel Geld.
Habt ihr auch darüber gesprochen, dass es irgendwann schwierig werden könnte, gerade weil ihr Freunde seid?
M: Nicht konkret darüber, aber wir haben darüber geredet, dass jeder seine Zeit für sich braucht. Ich meine, wir waren jetzt im Studio, also zwei Monate mehr oder weniger in einem Zimmer und danach auch noch ein paar Wochen auf Tour, also wieder in einem Zimmer, das war dann schon heftig. Aber ganz ehrlich: Lieber mache ich das mit einer Freundin als mit jemandem, den ich nicht so gut kenne. Man kann sich ja kaum aus dem Weg gehen.
N: Unser Produzent hat mal gefragt, ob wir uns nie streiten. Wir haben uns vielleicht dreimal angezickt in der Zeit, das war es dann auch. Aber das geht für mich eben nur mit Madlaina.
M: Und wenn wir doch mal streiten, dann hat das nichts mit unserer Musik zu tun. Da sind wir uns immer einig.
N: Genauso ist es mit Geld, da ticken wir auch gleich. Wir haben dieses gemeinsame Konto und das war bisher nie ein Problem.
M: Bisher hatten wir einfach auch noch nie viel Geld (lacht). Ich denke, wir sind genug ähnlich und genug unterschiedlich, deshalb funktioniert es so gut.
Thema Konzerte: Wie fühlen sich Support-Shows an verglichen mit eigenen Shows?
M: Ich liebe Support, das mache ich total gerne. Auch unabhängig für wen. Man lernt immer andere Musiker kennen, kann sich austauschen, das ist wichtig für uns, wir haben dadurch schon viel gelernt. Und man bekommt das Publikum einfach so geschenkt. Wir müssen die Leute nicht erst von uns überzeugen, haben also weniger Druck und Verantwortung.
N: Aber klar ist es auch schön, wenn man eine eigene Show hat und weiß, dass die Leute dafür bezahlen, uns zu hören. Das ist noch mal ein ganz anderes Gefühl. Beides ist schön!
Ein Festival in der Schweiz, das ihr besonders mögt?
M: Das Gurtenfestival, wenn es ein gutes Line-Up hat. Das ist so familiär da oben auf dem Hügel und man bekommt keinen Overload an Bands, die man sehen will. Die Bands, die ich noch nicht kenne, will ich unbedingt hören, und von vielen weiß ich schon, dass sie toll sind, also habe ich nicht so den Stress von Bühne zu Bühne zu hetzen.
N: Das Bad Bonn Kilbi hat immer so ein gutes Line-Up! Da will ich schon so lange hin, aber ich bin immer zu spät dran für die Tickets, das ist so schnell ausverkauft. Aber ich stelle es mit total toll vor und habe bisher nur Gutes gehört.
Nun kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass es genau das ist, was wir machen wollen.
Was wäre euer Worst-Case-Szenario für einen Auftritt bei einem Festival?
M: Stau macht mich rasend. Wir haben mal ein Festival wegen Hochwasser verpasst. Und wenn es keinen Ort gibt, an dem man sich kurz zurückziehen kann. Ich muss immer kurz alleine sein, bevor wir spielen.
N: Mich macht es total nervös, wenn irgendwas mit der Technik nicht stimmt, wenn zum Beispiel etwas nicht da ist, was da sein sollte oder wenn der Techniker überfordert ist. Oder wenn wir irgendwas vergessen haben, das finde ich schrecklich.
M: Ja, das Kapodaster, das vergessen wir gerne mal.
Beschreibt mal die Zeit zwischen eurem ersten Konzert und jetzt in ein paar Sätzen.
N: Es ist aufregend geblieben. Ich finde nach wie vor alles sehr spannend und so habe ich es mir auch vorgestellt, nur dass ich jetzt nicht nur eine Vorstellung davon habe, sondern weiß, wie es ist. Nun kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass es genau das ist, was wir machen wollen.
M: In den sechs Jahren ist so viel passiert und dank der vielen Aufnahmen sehen wir Step by Step, wie wir uns verbessert und entwickelt haben.
N: Ja, da hat sich einiges getan! Ich hab vor Kurzem ein altes Songbook gefunden und musste so lachen über das, was ich damals geschrieben hatte.
Als wir letztens aus dem Studio gekommen sind, hatten wir eine Phase, in der wir nur Pasta und Reis gegessen haben.
An welchem Punkt seht ihr euch in einem Jahr?
M: Ich wäre gerne zu fünft, mit noch einem Gitarristen. Und ich will einen Techniker haben. (lacht) Und ich fände es auch spannend, konzeptionell an den Konzerten zu arbeiten, mit dem Bühnenbild und dem Licht zum Beispiel. Aber nicht so, dass es dann mehr Zirkus ist als Konzert.
N: 200 Shows! Nein, das ist vielleicht zu viel. Aber 100 bis 150 wären schon toll.
M: Jetzt gerade mache ich auch nichts anderes und lebe nur von der Musik, aber ich bin ab und an schon am verhungern. (lacht) Es wäre natürlich toll, wenn das anders wäre. Aber diesen Monat zum Beispiel können wir gut davon leben. Das ist immer unterschiedlich.
N: Als wir letztens aus dem Studio gekommen sind, hatten wir eine Phase, in der wir nur Pasta und Reis gegessen haben. Ich war dann mal bei meinen Eltern eingeladen und die haben gefragt, ob ich Pasta will und ich meinte nur, dass ich seit einer Woche schon Pasta mit Öl und Salz und Pfeffer esse. Meine Mutter war dann ganz entsetzt. Nur das?, hat sie mich dann gefragt und ich meinte: Ach nein, manchmal auch Reis. Dann sind sie sofort einkaufen gegangen und haben uns fünf volle Tüte nach Hause gebracht. (lacht)