Magazin

Geschmacksfragen der Rock 'n' Roll Butterfahrt

Ein Interview über Booking und Platzangst im Privatflieger


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Kevin Winiker

Die Rock ‘n’ Roll Butterfahrt ist für uns bei Höme der Inbegriff von Festivalromantik. Eine Bühne direkt zwischen den Dünen von Helgoland, Anreise per Boot und limitiert auf weniger als 1.000 Tickets. Es geht um guten Punkrock, es geht um die beste Zeit des Jahres und es geht um Gemeinschaft. Ein Festival, das unabhängig von Randgeräuschen und sinnfreiem Branchengedöns dafür steht, was Festivals ursprünglich mal sein sollten.

 

Claus Fabian, besser bekannt als Fabsi, 62 Jahre und Booker der Rock ‘n’ Roll Butterfahrt seit der ersten Fahrt in 2003, hat uns erklärt, wie die Musik zum Festival kommt, was Bands auf sich nehmen, um dort spielen zu können und was dabei schiefgehen kann.

Und zusammen mit seinen Antworten auf unsere Fragen kam auch direkt die Absage für uns als Höme, selbst mit dabei zu sein. Das dritte Jahr in Folge hieß es „Ihr dürft leider 2018 nur von der Insel träumen“. Tickets für Vereinsmitglieder und echte Fans gehen halt vor. Ehrlicher, echter und aussagekräftiger geht es fast nicht. Wir sind begeistert!

Drei Songs, die heute in deiner Playlist laufen?
Motörhead – Heroes 
Panhandle Alks – Alte Freunde
Dritte Wahl – Himmel

Ein Song, der in diesem Jahr bisher besonders häufig bei dir gelaufen ist?
Wölli und die Band des Jahres – Alles auf Anfang, alles noch mal von vorn.

Wie würdest du das Rezept für euer Line-Up in einem Satz zusammenfassen?
Jeweils eine Priese Punkrock (Deutsch/Englisch), Trash Rock´n‘Roll, Ska, Reggae und Rockabilly aus der ganzen Welt.

Was schätzt du, wie viele Bandbewerbungen bekommt ihr jedes Jahr? Hörst du alle durch und sind die für euer Line-Up überhaupt relevant?
Wir haben den Bandbewerbungsbutton auf der Homepage abgeschaltet. Jedes Jahr über 150 Bewerbungen. Ich höre mir alles an und suche im Netz besonders nach Live Videos der Bands. Aus all den Bewerbungen habe ich bis jetzt aber nur eine Band genommen. BARAYAN aus Russland/Hamburg. Wir haben eine kleine Wunschliste und den größten Teil suche ich nach einem bestimmten Gespür auf, was in diesem Jahr zusammenpassen könnte. Ich überrasche gerne unsere Piraten mit unbekannten Bands, die dann abgefeiert werden. Wir haben uns auch vorgenommen, jedes Jahr mindestens eine Stecknadel in die Weltkugel zu picken und eine Band aus einem Land spielen zu lassen, welches unsere Insel noch nicht bespielt hat.





Wie gehst du mit der Erwartungshaltung eurer Gäste um? Es ist ja unmöglich, es allen recht zu machen, aber trifft dich Gemecker und Kritik persönlich und hat es Einfluss auf euer Booking? 
Es hat keinen Einfluss auf unser Booking. Es kommt natürlich immer wieder vor, dass Piraten an mich herantreten und mir Tipps geben. Es muss aber passen und was viele nicht beachten: Wir sind kein gewöhnliches Festival wie auf dem Festland. Wir können nicht mal eben eine Band einfliegen lassen. Ich muss bei Bands, die nicht aus Deutschland kommen, immer beobachten, ob sie auf Tournee kommen. Viele Bands bauen schon um die Butterfahrt ihre Tournee, weil sie unbedingt bei uns spielen wollen. In diesem Jahr z.B. FleshtonesSeas of Mirth, Bambix, Kurt Baker Combo, Baboon Show, Los Fastidios. Das sind schon eine Menge Bands. Dadurch haben sich schon Clubfreundschaften gebildet mit Speicher-Husum, Kling Klang-Wilhelmshaven, Purock Events- Cuxhaven. Die Clubs fangen dann Bands von uns auf, die dann einen Tag vorher oder nachher bei ihnen spielen, damit sie keinen Off Day haben. Das Problem liegt bei uns, da immer nur eine Fähre nach Helgoland und zurück fährt. Dadurch kommen die Bands am nächsten Tag jeweils erst um 19 Uhr in den jeweiligen Häfen Büsum, Cuxhaven oder Hamburg an.


Gibt es so etwas wie deinen größten persönlichen Erfolg beim Booking der letzten Jahre? Ein Act der nach langem hin und her geklappt hat, ein Act aus eigentlich viel zu hoher Preisklasse oder ein ganz persönlicher Liebling?
Da gibt es eine Menge Bands, die ihre Gagen runterschrauben, um bei uns zu spielen. Wir haben halt die dreifachen Logistik Kosten auf der Insel und wir haben eine absolute Gagen Grenze.

Dritte Wahl, erst zögerlich und nun schon das vierte Mal auf der Butterfahrt und irgendwann werden sie wohl die Nachfolgeband der Festivalhausband Mimmis, wenn die in Rente gehen.

Fleshtones, vier Jahre am Graben und nun ist der französische Booker endlich aus dem Rennen.

Baboon Show, von allen Piraten gefordert und nun klappt es zeitlich und mit allem.

Wie viel Prozent eures Line-Ups für dieses Jahr sind schon bestätigt?
Alle, aber leider mussten Razors (krankheitsbedingt) und Eisenpimmel (Todesfall in der Familie) absagen. Dafür haben wir Johnny Reggae Rub Foundation (die wollte ich eigentlich 2019 haben) und The Bernie and The Jörgi (die eigentlich als Gäste zum Festival kommen wollten) buchen können.

Kannst du schon mehr darüber erzählen? Was wird ganz besonders gut, worüber freust du dich bisher am meisten und was kommt noch?
Eigentlich ist die Musik der Rock’n‘Roll Butterfahrt das Sahnehäubchen für ein unfassbar geiles Erlebnis. Alle Piraten freuen sich auf ein Wiedersehen und wenn du einmal am Gelände auf der Düne stehst, Du noch die letzten Mobiltoiletten zurecht rüttelst, am Hauptanreisetag das Schiff aus Cuxhaven in den Helgoländer Hafen fährt, der Wind den Gesang von 600 Piraten über ganz Helgoland erschallen lässt, du Gänsehaut bekommst, dann wissen alle, die dafür das ganze Jahr malochen, wir haben alles richtig gemacht.

Vier Acts aus euer Festivalvergangenheit, an die du dich besonders gern erinnerst – und warum?
Mad Sin: Sänger Köfte und Gitarrist Stein hatten vorher einen Auftritt in Frankreich, der Rest der Band kam aus Berlin. Wir mussten die beiden also einfliegen lassen. Razors Sänger, Danker, holte die beiden vom Hamburger Flughafen ab und ab nach Cuxhaven zum einmotorigen Privatflieger (4 Plätze). Die waren gerade 3 Minuten in der Luft, da bekam Köfte Platzangst, wollte aus dem Flieger springen, die wieder runter, Danker rief mich an, ich hatte Todesangst. Ich sagte: Ab nach Bremerhaven, dort gibt es einen größeren Flieger (8 Personen). Dort angekommen schickte Danker Köfte zum Flugkapitän, der erklärte ihm die Maschine, sagte, dass er zwei Sitze bekommt, ging zum Kiosk und kaufte Köfte 3 Fläschchen Jägermeister. Mad Sin spielten einer ihren besten Konzerte, mit Standbass von der Bühne ab in den Dünensand.

Real Mc Kenzies: Ich bekam morgens um 7 Uhr einen Anruf: Wir haben einen Motorschaden bei Bremen an der Tanke. Ich rief meinen Vermieteragenten in Bremen an. Der schickte zwei Rumänen mit PKWs und holte die Band ab. Die Rumänen kein Englisch, Mc Kenzies in Schottenröcken. Ab zum Flieger, das Schiff natürlich schon weg. Sondermaschine, die eigentlich nicht auf dem Plan stand. Im Flieger 7 Mc Kenzies und eine alte Dame, 70 Jahre alt, die den letzten Platz zu ihrer Freude ergatterte. Auf Helgoland angekommen sagte die fesche Dame: Es war der aufregendste und verrückteste Flug in ihrem Leben. Foto auf der Landebahn, Drink im Flughafencafé und die übermüdeten Mc Kenzies spielten nachts um ihr Leben.

SATOR: 5 Tage vor dem Festival erhielt ich die Nachricht: Berliner Booker nach Afrika vor der Polizei geflüchtet. Ich hatte Null Kontakt zur Band. Sie hatten aber das Datum des Festivals auf ihrer Seite und null Ahnung vom Booker Desaster. Sie sagten: Wir kommen, egal wie. Vier im PKW aus Göteburg, Overnight. Bassist aus Stockholm nach Hamburg mit dem Flieger. Dort Freundin von Festivalhelfer aktiviert und ab zum Flieger nach Büsum. Vorher haben wir ihn mit einem Foto gelockt, dass sein Bier schon unterwegs zum Gelände geschifft wird (100 Fass Bier auf dem Transportschiff zur Düne). Sator sind in Schweden seit 30 Jahren eine Rock’n’Roll-Macht und spielen dort auf Festivals vor 40.000. Sie fingen ihr Set erst in ihrer Festival Poser Manier an, nach 2-3 Stücken merkten sie, das hier ist Punkrock pur wie sie es schon seit langem nicht mehr erlebt haben. Sie zogen alle Register und spielten das Stück, welches sie eigentlich nie mehr covern wollten. „Ring, Ring“ von Abba.
Nach dem Gig waren sie nicht mehr zu halten und fuhren am nächsten Tag komplett körperlich zerstört zurück nach Schweden.

EA80: Ein absolutes Highlight war der Auftritt von EA80, die ansonsten nie auf einem Open-Air Festival spielen. Ich kenne Martin schon lange. Mit 12 Jahren sprang er 1979 damals bei ZK auf die Bühne und sang ein Lied mit uns. 1981 war er dann beim Abschiedskonzert von ZK. Wir haben uns all die Jahre nicht gesehen und als ich ihn anrief, ob er sich vorstellen könnte, auf einer Bühne zu stehen, mitten in den Dünen und aufs Meer zu sehen, kam ein paar Tage später die Antwort: „Okay, ich vertraue Dir, wir machen das“.
Eingefleischte EA80 Fans, die vor der Bühne standen, kamen am nächsten Tag zu mir und sagten, sie hätten Tränen in den Augen gehabt. Es war einer der Auftritte, die man nie mehr vergisst.


Welches war das erste Festival, welches du selbst besucht hast und was ist dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
Joint Meeting, Düsseldorf, Eissporthalle an der Brehmstraße, 16-18. Mai 1970.
Ich war 14 Jahre alt, durfte noch nicht rein, hatte kein Geld, keine Karte.
Am ersten Tag stand ich noch draußen, am zweiten Tag bin ich mit Kumpels dann über den Zaun geklettert.

Drei Festivals, die dich inspirieren und deren Line-Ups wir uns unbedingt anschauen sollten?
Ruhrpott Rodeo
Rebellionfestival, Blackpool
Eier mit Speck Festival
Drei Festivals, die du in der Vergangenheit selbst besucht hast?
Leider nicht besucht, sondern musste dort arbeiten.
Rock im Park
Nova Rock
Airbeat One

Drei Festivals, die du in der Zukunft noch besuchen möchtest?
Rebellionfestival, Blackpool
Sziget Festival, Budapest
Open Flair, Eschwege

Mit allem Geld der Welt, was wäre dein Traum-Act für euer Festival?
Slade mit: Noddy Holder, Dave Hill, Jim Lea, Don Powel

Zum Abschluss verrate uns doch noch bitte deinen Geheimtipp für 2018. Welchen Act sollte sich niemand entgehen lassen?
Es gibt keinen Geheimtipp, alle sind genial und man sollte keinen verpassen.
Ich kann nur sagen: Für uns und die Mitglieder des Rock´n‘Roll Butterfahrt Vereins ist es das „größte, kleinste Festival der Welt“ und wir würden es gegen kein anderes Gelände der Welt eintauschen. Denn wie sagte immer unser verstorbener Käpt´n Moped: „Wichtig ist am Strand“.