text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Steffi Rettinger, Fabian Stoffers, Hans Martin Kudlinski
Eigentlich ist das PULS Open Air schon der beeindruckenden Location wegen einen Besuch wert. Oben drauf kommt aber noch – und das nicht zu knapp – dass das Booking dieses noch sehr jungen Festivals verdammt modern und am Nabel der Zeit ist. Wer im Süden daheim ist und sich über die Masse an hippen Festivals gen Norden ärgert, findet hier die passende Antwort.
Wir wollten wissen, wie die Musik zum Festival kommt und wer eigentlich dahinter steckt. Antworten darauf gab es von Jonas Seetge.
Bitte stell dich doch mal kurz vor. Name, Alter, wie lange bist du schon für das Booking zuständig und wie fing alles an bei dir?
Hey, ich bin Jonas, 27 Jahre alt, Schuhgröße 44,5 und seit dieser Saison für das Booking auf dem wundervollen Puls Open Air in enger Abstimmung mit PULS, dem jungen Programm des Bayerischen Rundfunks, zuständig.
Drei Songs, die heute in deiner Playlist laufen?
– Express Yourself – N.W.A.
– Marinade – DOPE LEMON
– BoyToy – LÜT
Ein Song, der in diesem Jahr bisher besonders häufig bei dir gelaufen ist?
Beautiful Escape von Tom Misch. Das Konzert im Kesselhaus hat mich umgehauen. Toller Typ!
Wie würdest du das Rezept für euer Line-Up in einem Satz zusammenfassen?
Großartige Domestic Acts, spannende Künstler aus Übersee und geballte Frauenpower!
Was schätzt du, wie viele Bandbewerbungen bekommt ihr jedes Jahr? Hörst du alle durch und sind die für euer Line-Up überhaupt relevant?
Da wenige Künstler wissen, dass wir als Landstreicher Booking auch für die Programmkuration vom Puls Open Air zuständig sind, erhalten wir diesbezüglich tatsächlich wenig pro-aktive Anfragen. Natürlich schicken mir Agenten ihre neuesten Signings zu und da höre ich mich auch liebend gerne durch. Wir gehen aber auch viel selber auf die Suche nach neuen spannenden Künstlern und machen uns bei Konzerten und Festivals ein Bild von deren Livequalitäten. So sind wir dann bspw. auch an Yungblud oder Granada gekommen.
Wie gehst du mit der Erwartungshaltung eurer Gäste um? Es ist ja unmöglich, es allen recht zu machen, aber trifft dich Gemecker und Kritik persönlich und hat es Einfluss auf euer Booking?
Ich denke, ein Festival wie das Puls Open Air hat sich über die Jahre ein sehr musikbegeistertes Publikum aufgebaut. Das ist super, denn die Leute kommen nicht, weil sie bei uns nur die großen Namen sehen wollen. Die haben wir natürlich auch. Aber die vielen spannenden Künstler, die tagsüber unsere Bühnen zum Scheinen bringen, bekommen genauso große Aufmerksamkeit.
Mit PULS als starken Medienpartner und Namensgeber haben wir natürlich auch einen Radiosender hinter uns, der sich schon immer durch eine sehr moderne Musikredaktion auszeichnet, die ein grandioses Programm mit vielen spannenden neuen Bands kuratiert. Das hilft enorm. Weil die Künstler auch vor dem Festival eine Plattform haben und die Leute auf dem Festival selbst schon textsicher mitsingen können.
Natürlich lese ich aber auch bei jeder Lineup Welle gespannt die Kommentare und schaue, wie die Künstler (und besonders meine Lieblinge darunter) ankommen oder welche neuen Vorschläge von Besuchern gemacht werden. Kommentare, die die gleichen Künstler aus den beiden Vorjahren aufgreifen oder sich über „zu schwache“ Headliner beschweren, lernt man aber schnell zu überfliegen. Die sind wenig konstruktiv und wahrscheinlich verstecken sich dahinter auch nicht die richtigen Besucher für ein Festival wie es das Puls Open Air ist.
Gibt es so etwas wie deinen größten persönlichen Erfolg beim Booking der letzten Jahre?
Ich freue mich besonders über Shame und Nilüfer Yanya. Sobald internationale Agenten ins Spiel kommen, wird das Prozedere immer etwas komplizierter und langwieriger. Umso mehr freue ich mich, dass es bei den beiden Künstlern geklappt hat.
Wie viel Prozent eures Line-Ups für dieses Jahr sind schon bestätigt?
Wir sind komplett durch und haben auch alle Künstler bereits veröffentlicht.
Vielleicht wird es vor Ort noch die ein oder andere Überraschung geben, aber das bleibt natürlich noch geheim!
Kannst du schon mehr darüber erzählen? Was wird ganz besonders gut, worüber freust du dich bisher am meisten und was kommt noch?
Oh da sind tatsächlich einige Künstler, auf die ich mich sehr freue.
Nachdem ich Gus Dapperton kürzlich in Berlin gesehen habe, bin ich großer Fan und freue mich riesig, ihn im Sommer wieder zu sehen. AV AV AV habe ich im Winter in Groningen gesehen und das wird garantiert ein Highlight in der Nacht auf unserer Waldbühne. Und genauso gespannt bin ich darauf, wie Noga Erez vom Publikum angenommen wird. Bisher hat sie mich jedes Mal live umgehauen.
Das Puls zeichnet sich einfach durch eine ganz besondere Location aus. Ob es die Waldbühne ist oder aber die Ritter Arena, in der Kraftklub garantiert die Totalekstase heraufbeschwören werden. Das Lineup ist wie ich finde tatsächlich sehr rund geworden. Viele tolle Künstler zum Entdecken und viele bekannte Lieblinge zum Abgehen.
Drei Acts aus euer Festivalvergangenheit, an die du dich besonders gern erinnerst?
Tatsächlich wird es mein erstes Puls Open Air sein. Ich war kürzlich auch erst auf dem Gelände und war schier verzaubert davon. Man taucht förmlich in eine Ritterwelt ein. Gefüllt mit Leuten und eingefärbt in bunte Lichter dürfte das eine tolle Premiere für mich werden.
Aus Erzählungen der Kollegen weiß ich aber, dass Milky Chance, Moderat und Bilderbuch schon ziemliche Highlights in den letzten Jahren waren.
Welches war das erste Festival, welches du selbst besucht hast und was ist dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
Das Rock im Mai Festival, nur 6km von meinem Heimatdorf entfernt. Neben Fotos, die mich damals nachhaltig beeindruckt und zu meiner ersten Vinyl bewegt haben, erinnere ich mich aber vor allem an die einzigartige Atmosphäre auf Festivals. Außerdem das freundliche Miteinander und die gemeinsame Ekstase, die mich bis heute nicht mehr losgelassen hat und mir letztlich meinen Job in dieser Branche beschert hat.
Drei Festivals, die dich inspirieren und deren Line-Ups wir uns unbedingt anschauen sollten?
– c/o Pop Festival
– Appletree Garden
– Primavera Sound
Drei Festivals, die du in der Vergangenheit selbst besucht hast?
– Rocken am Brocken Festival
– Immergut Festival
– Fuchsbau Festival
Drei Festivals, die du in der Zukunft noch besuchen möchtest?
– Roskilde Festival
– Secret Garden Festival
– Africa Burn
Mit allem Geld der Welt, was wäre dein Traum-Act für euer Festival?
Ich habe dieses Jahr für ein anderes Festival Jack White angefragt. Dazu fehlte mir dann aber doch das nötige Taschengeld. Das wäre tatsächlich ganz nett. Mit QOTSA gebe ich mich aber auch im nächsten Jahr zufrieden.
Auf welchen Wegen findest du neue Musik?
Für mich gibt es da viele Wege. In meinem Alltag höre ich mich viel durch diverse Spotify Listen und klicke mich durch die „Ähnliche Künstler“ Kategorie oder lasse mich von YouTube in die unendlichen Weiten der Verlinkung treiben. Ansonsten schaue ich mir viele Lineups anderer Festivals an, treibe mein Unwesen auf Showcase Festivals und mag besonders Favoritenlisten von Künstlern auf Facebook.
Zum Abschluss verrate uns doch noch bitte deinen Geheimtipp für 2018. Welchen Act sollte sich niemand entgehen lassen?
Das ist eine schwere Frage. Ich würde sagen, dass unsere gesamte Waldbühne solche Geheimtipps bereithält. Eine Band, die leider nicht dieses Jahr auf dem Puls zu finden ist, mich aber kürzlich extrem beeindruckt hat, ist Otzeki. Sowohl auf Platte, als auch live unheimlich gut.