text Johannes Jacobi
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Dominik Wagner
Seit fast zwei Jahrzehnten ist das Immergut Festival in Neustrelitz nun schon Garant für feinste Musikselektion im Indie-Bereich. Ein Festival zum Entdecken, aber auch zum in Erinnerungen schwelgen. Eine Hommage an ein Genre, aber auch an Musik als Ganzes.
Wir haben uns gefragt, wie die Musik zum Immergut kommt, wie mit Erwartungen umgegangen wird und was dieses Jahr auf uns zukommt – und Björn Kagel vom immergutrocken e.V. hat uns erleuchtet.
Bitte stell dich doch mal kurz vor: Name, Alter, wie lange bist du schon für das Booking zuständig und wie fing alles an bei dir?
Ich bin Björn, vor 31 Jahren in Neustrelitz geboren und seit 17 Jahren Gast des Immergut Festivals. Seit ca. 10 Jahren helfe ich vor Ort auch mit und seit ungefähr 8 Jahren bin ich Teil des Booking-Teams beim immergutrocken e.V.
Angefangen hat es, weil da Leute ein Festival in Neustrelitz auf die Beine gestellt hatten, welches man so (bei uns) nicht kannte – mit viel Liebe, Eigeninitiative, Enthusiasmus und Idealismus. Das zog einen natürlich an und man wollte erst mitfeiern und später mithelfen. So führte eins zum anderen und plötzlich buchte ich die ersten Bands.
Wie würdest du das Rezept für euer Line-Up in einem Satz zusammenfassen?
Um im Sinnbild eines Rezepts zu bleiben: Wir schauen immer, was uns gerade schmeckt und wir gerne mögen – auch gerne abseits von Trends oder was wir so in der Werbung sehen, denn es geht mehr um den eigenen Geschmack und daher kommt am Ende ein Aroma hervor, das man nur auf dem Immergut anfindet.
Was schätzt du: Wie viele Bandbewerbungen bekommt ihr jedes Jahr? Hörst du alle durch und sind die für euer Line-Up überhaupt relevant?
E-Mail-Anfragen erhalten wir um die 2.000 bis 2.500 pro Jahr – jedoch sind davon ein Teil nur Massen-E-Mails, die sich in keinster Weise mit dem Festival auseinandergesetzt haben. Puhdys-Coverbands oder Reggae-Gruppen aus Jamaika sind für das Immergut nicht passend, daher hören wir uns die auch gar nicht erst an. Ernsthafte und passende Anfragen sind es vielleicht 1.000 bis 1.200 pro Jahr, wovon wir uns aber auch nicht alle anhören können, da wir all das hier ehrenamtlich neben unserem eigentlichen Beruf/Studium/Sonstwas tun und dafür leider die Zeit fehlt. Daher bauen wir viel auf Empfehlungen aus dem immergutrocken e.V., von Freund*innen und Kolleg*innen.
Drei Songs, die heute in deiner Playlist liefen?
– Preoccupations – Espionage
– Kero Kero Bonito – Only Acting
– Sam Vance-Law – Narcissus 2.0
Ein Song, der in diesem Jahr bisher besonders häufig bei dir gelaufen ist?
Bayonne – I know
Wie gehst du mit der Erwartungshaltung eurer Gäste um? Es ist ja unmöglich, es allen recht zu machen, aber trifft dich Gemecker und Kritik persönlich und hat es Einfluss auf euer Booking?
Wir lesen uns Kritik in jedem Fall durch, weil es ja immer einen Hintergrund hat, warum sich eine Person positiv wie negativ äußert. Sofern Kritik auch mit Begründungen und Fakten untermauert ist, setzen wir uns natürlich damit auseinander. Jedoch bekommen wir meist schon sehr direkt Feedback aus dem Verein oder erfahren es selbst. Inwiefern wir damit dann konkrete Änderungen fürs nächste Jahr vornehmen, ist immer von Fall zu Fall zu unterscheiden.
Gibt es so etwas wie deinen größten persönlichen Erfolg beim Booking der letzten Jahre? Ein Act, der nach langem hin und her geklappt hat, ein Act aus eigentlich viel zu hoher Preisklasse oder ein ganz persönlicher Liebling?
In 2017 waren wir schon stolz, so viele internationale Künstler*innen zum Immergut holen zu können. Darunter waren u.a. Angel Olsen und Preoccupations mit ihrem einzigen Festivalauftritt in Deutschland, Broken Social Scene mit ihrem ersten und einzigen Auftritt seit 6 Jahren in Deutschland und vor allem Portugal. The Man, die eigentlich für uns kleines Festival nicht mehr finanzierbar gewesen wären. Aber auch die Jahre zuvor gab es mit Battles, Fat White Family oder Future Islands so einige Konzerte, an die ich mich sehr gerne zurückerinnere.
Wie viel Prozent eures Line-Ups für dieses Jahr sind schon bestätigt?
Wir sind inzwischen mit diesem Jahr durch und planen schon die ersten Anfragen für 2019 – dem 20. Immergut Festival.
Kannst du schon mehr darüber erzählen? Was wird ganz besonders gut, worüber freust du dich bisher am meisten und was kommt noch?
Ich finde, wir haben in diesem Jahr mit unserem Festival-Thema „Spiel, Satz, Lied“ genau dargestellt, wofür das Festival steht:
– den spielerischen Aspekt (Spiel), den wir einerseits besonders in diesem Jahr auf dem Festivalgelände mit verschiedenen kleinen Wettbewerben darstellen wollen, aber der auch seit Anbeginn mit unserem immergutzocken-Fußball-Turnier, bei dem Bands, Fans, wir Veranstalter*innen und andere gegeneinander spielen, Teil des Festivals ist;
– den literarischen Aspekt (Satz), welchen wir seit Jahren mit unserer kleinsten Bühne, dem Birkenhain, aufzeigen wollen, da dies auch ein großer Teil der aktuellen Popkultur ist. Hier freuen wir uns in diesem Jahr auf Andreas Dorau & Gereon Klug, Christiane Rösinger, Anja Rützel und als Verbindungspunkt zum sportlichen Thema eine Lesung & Gesprächsrunde von 11Freunde zur dann abgelaufenen Saison und bevorstehenden WM;
– und zu guter letzt den musikalischen Aspekt (Lied), um den es die größte Zeit gehen wird. Dabei ist vor allem die Verbindung der Personen interessant, da wir die beiden Tage so eingeteilt haben, dass sich die Musiker*innen zum Großteil kennen und schon miteinander gearbeitet haben (z. B. Kat Frankie war Teil der Live-Band von Olli Schulz, der auf dem Label von Kettcar seine ersten Platten veröffentlichte), sodass wir auf viele interessante Gastauftritte hoffen.
Drei Acts aus euer Festivalvergangenheit, an die du dich besonders gern erinnerst – und warum?
– Future Islands (2014) – wir haben sie ganz kurz vor ihrem großen Durchbruch buchen können und konnten miterleben, wie dies der Band nochmals einen ordentlich Energie-Schub auf der Bühne gegeben hat. Für unsere doch kleine Zeltbühne war das damals ein ganz schön großes Erlebnis.
– Mogwai (2011) – was für viele Besucher*innen eine etwas ungewohnte Konzerterfahrung war, da es doch eher sperrige und breite Musik ist, die schwerer zu verarbeiten ist, haben sich viele doch der Musik und den sehr filmischen Visuals hingegeben und sich fallen lassen.
– Vita Bergen (2016) – eine Band, die wir erst zwei oder drei Monate vorm Festival kennengelernt, uns aber sofort in ihre Musik verliebt hatten. So viel Energie und Spielfreude haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Wenn ich auf die Bilder zurückblicke, kommt immer noch ein großes Grinsen in mein Gesicht. Gleiches Grinsen kann man bestimmt auch am 3., 4. und 5. Mai wiedersehen, denn dann gehen wir mit Vita Bergen „Auf Reisen“ und machen Halt in Berlin, Rostock und Leipzig.
Welches war das erste Festival, welches du selbst besucht hast und was ist dir davon besonders in Erinnerung geblieben?
Das erste Festival war wirklich das Immergut in Neustrelitz. Damals, 2001, war ich gerade 14 Jahre alt und durfte den Nachmittag und frühen Abend dort verbringen. So entstand eine Tradition, jedes Jahr auf das Festival zu gehen, welches mich nachhaltig musikalisch erzog und begleitete.
Drei Festivals, die dich inspirieren und deren Line-Ups wir uns unbedingt anschauen sollten?
– Bad Bonn Kilbi in Düdingen, Schweiz
– Eaux Claires in Wisconsin, USA
– Haldern Pop Festival in Haldern, Deutschland
Drei Festivals, die du in der Vergangenheit selbst besucht hast?
Im letzten Jahr war ich u.a. auf diesen hier:
– CTM Festival, Berlin, Deutschland
– Fuchsbau Festival, Hannover, Deutschland
– Alinae Lumr in Storkow, Deutschland
Drei Festivals, die du in der Zukunft noch besuchen möchtest?
– Eaux Claires in Wisconsin, USA
– Ypsig Rock auf Sizilien, Italien
– Bad Bonn Kilbi in Düdingen, Schweiz
Mit allem Geld der Welt, was wäre dein Traum-Act für euer Festival?
Natürlich sind für alle Indie-Rock Festivals Arcade Fire eine der bedeutendsten Bands, die es aktuell gibt und die keine große Bühnen-Show brauchen, um das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Gleiches gilt für Phoenix, die eine sehr genaue Live-Show bieten.
Auf welchen Wegen findest du neue Musik?
Zumeist höre ich neue Musik von Freund*innen und Vereinsmitgliedern. Aber natürlich bekommen wir auch viele Vorschläge von Labels und Booking-Agenturen, die wir gerne anhören.
Zum Abschluss verrate uns doch noch bitte deinen Geheimtipp für 2018. Welchen Act sollte sich niemand entgehen lassen?
Für mich sind Pom Poko die Entdeckung des Jahres. Die Norweger*innen verbinden den verkopften Sound von Battles mit den Vocals und der Tanzbarkeit von Acts wie Mø oder Hundreds. Wir haben sie zuerst auf dem Eurosonic in diesem Jahr gesehen und waren sofort hin und weg.