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Pro & Contra

Wollt ihr die Frauenquote beim Full Force Festival?


 
 

text Leonie Stege
redaktion Henrike Schröder
fotos Full Force: Gabriel Flöter, Kirsten Otto, Michael Bomke, Thomas Hoff

Triggerwarnung
In diesem Text werden die Themen Sexismus, Diskriminierung und sexualisierte Gewalt, insbesondere gegenüber Frauen behandelt.

Wir haben euch in unserer Festivalumfrage 2021 gefragt: Ist es die Aufgabe der Veranstaltenden gleich viele Männer und Frauen für ihr Line-up zu buchen und auch unterrepräsentierten Gruppen eine Bühne zu geben? Eure Antworten waren ziemlich gemischt. Knapp die Hälfte steht der Angelegenheit neutral gegenüber, während etwa 25 % die Verantwortung für ein gendergerechtes Booking nicht bei den Veranstaltenden sehen, die restlichen 25 % aber schon. Dieses Jahr haben wir den Besuchenden auf dem Full Force genau diese Frage erneut gestellt, um herauszufinden, ob sich an der Einstellung etwas geändert hat.
 

Seit 2017 findet das Metal- und Hardcore-Festival Full Force passenderweise in der “Eisenstadt” Ferropolis statt. Zwischen den feuerspuckenden Kränen des ehemaligen Tagebaus stehen in diesem Jahr insgesamt 322 Musiker*innen auf der Bühne. Darunter nur 17 weibliche Artists. Das macht einen Frauenanteil von gerade mal 5,28%. Vor diesem Hintergrund war es besonders spannend die Debatte um das Einführen einer Quote erneut zu führen. Denn diese steht oft als Lösung für das Ungleichgewicht auf den Bühnen im Raum. Braucht es die Quote also oder sollte das Ganze lieber organisch und ohne Zwang herbeigeführt werden?



PRO

“Ich finde in der Metal-Szene gibt es schon drei, vier Powerfrauen, z.B. Arch Enemy oder Jinjer. Ich weiß nicht genau warum die nicht gebucht werden. Vielleicht wird sich nicht getraut. Also ja, ich bin auf jeden Fall für eine Quote, um einfach mal Künstlerinnen die Chance zu geben.” – Gerrit

“Ich bin auf jeden Fall dafür, dass es irgendeine Art von Quote gibt, um die Sichtbarkeit von Frauen auf Musikveranstaltungen zu stärken, aber ich glaube, das Problem fängt schon weiter vorne an. Nämlich damit, dass weniger FLINTA* Personen gibt. Auf den Festivals, auf denen ich bin, spielen jedes Jahr die gleichen Acts und das sind männliche Bands.” – Alicia

Jeder sollte die Chance haben, mal auf die Bühne zu kommen und ich finde es auch geil neue Bands kennenzulernen, die nicht so bekannt sind.

“Ich bin auf jeden Fall dafür, da ich selber relativ viel Musik von FLINTA* Personen höre. Jeder sollte die Chance haben, mal auf die Bühne zu kommen und ich finde es auch geil neue Bands kennenzulernen, die nicht so bekannt sind. Hier habe ich glaube ich nur eine Frau auf der Bühne gesehen.” – Kira

“Ich glaube, von allein wird nichts passieren, weil sich weiblich gelesene Artists einfach nicht trauen. Denn es ist eine männlich dominierte Musikszene. Ich fände es aber auch schön, wenn es diversifiziert wird. Das Highfield, wo ich noch hinfahre, hat auch ein cooles Line-up, aber ich finde es schade, dass quasi nur Männer auf den Bühnen stehen. Dadurch fällt mir selber auf, dass ich auch nur Männer höre, aber viel lieber mehr Frauen in meinen eigenen Playlists hätte.” – Magdalena


CONTRA

“Scheiß Bands gehören nicht auf die Bühne! Wenn die Band geil ist, gehört sie auf die Bühne und wenn nicht, dann nicht. Außer es stehen nur geile Frauen auf der Bühne, dann könenn die von mir aus scheiße sein. Wenn etwas fürs Auge geboten wird, bin ich tolerant. Aber grundsätzlich Leistung vor Aussehen.”
Jörg

“Ich habe es richtig gefeiert, als ich gesehen habe, dass beim Full Force jeden Tag mindestens drei oder vier Acts mit Frauenanteil auftreten – im Gegensatz zu Rock am Ring. Ich finde, es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, darauf zu achten, ohne eine Quote einzuführen. Es gibt so viele weibliche Acts, gerade im Metal, aber das geht unter, wenn man sich nicht damit beschäftigt.” – Jule

“Ich finde, man sollte nicht einfach Frauen nehmen, damit man Frauen im Line-up hat. Man sollte eher die jüngeren Frauen ermutigen, Musik zu machen. Ich glaube, dass viele Angst haben und sich nicht trauen. Deswegen haben wir auch diesen Unterschied.” – Elisa

Wenn die Band geil ist, gehört sie auf die Bühne und wenn nicht, dann nicht.

“Da Musik ein künstlerisches Thema ist, finde ich, dass es schwieriger ist, eine Frauenquote einzuführen. Es geht um Talent. Ich habe zum Beispiel keins – deswegen stehe ich nicht auf der Bühne. Natürlich würde ich mich über mehr Frauen freuen. Aber es muss einem halt gefallen. Das ist ja das Schöne an der Musik.” – Benny

“Eine Quote ist immer scheiße. Das ist genauso wie in der Wirtschaft. Wenn wir nur fördern, damit Frauen auf der Bühne stehen, dann kommen keine Leute mehr und der Spaß bleibt auch weg.” – Alex

NEUTRAL

“Die männlich besetzten Bands sind einfach viel präsenter. Die großen Acts sind hauptsächlich männlich und Frauen haben wahrscheinlich eine geringere Chance, richtig durchzukommen. Da muss man extra einen Blick drauf werfen. Convent, die gestern leider ausgefallen sind, hätten wir richtig gefeiert. Die sind extrem gut und die komplette Band und sogar die Crew besteht nur aus Frauen.” – Lara

“Grundsätzlich ist es mir egal, wer auf der Bühne steht. Ich muss es halt feiern. Ob das jetzt ne Frau oder nen Mann ist, ist mir prinzipiell wurscht.” – Diego

“Es sollte organisch passieren. Wenn es female fronted Bands gibt, die so ein Standing haben, dass sie auf dem Festival spielen können – warum nicht? Aber das zwangsweise zu machen, finde ich scheiße. Dann müssen halt mehr Frauen eine Band gründen oder eine Band fronten. Ich bin kein großer Fan davon, alles zu regulieren, aber wenn eine Quote dabei helfen könnte mehr weiblichen Nachwuchs zu fördern, wäre ich davon nicht abgeneigt.” – Lukas

“Ich habe das Gefühl, dass die Künstlerszene unterbesetzt ist, was feminine Präsenz angeht. Ich bin selber DJ und habe ein Kollektiv. Wir haben fünf Frauen bei uns und die eine konnten wir mal überreden, sich an die Decks zu stellen, sonst sind wir nämlich sieben männliche DJs. Wir sind alle total aware und cool drauf, aber da passiert trotzdem noch nichts. Man muss einfach ein paar Leute an die Hand nehmen, wenn sie sich nicht trauen. Ich denke, das sollte von der Festivalplanung übernommen werden. Festivals sollten einfach ein paar junge Acts buchen. Die wollen auch nicht so viel Gage und dann schaut man einfach, dass man das auch qualitativ unter einen Hut kriegt.”
Tilman



Ob durch eine Frauenquote oder organisch, die unterschiedlichen Statements eint ein Gefühl: eigentlich will man schon mehr Frauen auf der Bühne sehen – aber eben nicht zu Ungunsten der Musik. Also: Trauen sich Frauen wirklich nicht? Gibt es nicht genug Frauen in Bands oder woran liegt es, dass nur 17 Musikerinnen dieses Jahr vom Full Force gebucht wurden? Der Frage, wie es mit der Geschlechtegerechtigkeit auf Festivalbühnen bestellt ist und warum es ein Problem sein kann, dass sie noch nicht erreicht ist, sind bereits andere nachgegangen – zuletzt in den Artikeln “Wer gibt hier den Ton an? Über die Repräsentanz von Geschlecht auf deutschen Festivalbühnen” und “Frauenquote für Festivals? Keychange Initiative will Gender-Gap auf Festivalbühnen schließen.”

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Leonie Stege

Huhu, ich bin Leo. Ich hab mich damals ganz blauäugig bei Höme beworben und schwuppdiwupps schon bin ich in Berlin gelandet! So schnell kann’s gehen. Nebenbei studiere ich noch was mit Popmusik und Medien. Aber jetzt darf ich mit diesen wundervollen Menschen für euch coolen Quatsch machen und meinen Gedankensalat zu allem rund um Festivals zu Papier bringen (oder zu Bildschirm?). Und ich sag mal so: Da hab ich richtig Bock drauf!

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Full Force 2022

24. – 26. Juni – Gräfenhainichen


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