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Dauerrave und/oder Meditationsworkshop

Erinnerungen vom Waldfrieden Wonderland


Wenn man nicht aus Ostwestfalen kommt oder dort wohnt, sagt einem das Stemweder Bergtal wahrscheinlich nichts. Sollte es aber, hier findet nämlich jährlich vom 23. bis 26. August das Waldfrieden Wonderland Psytrance Festival statt. Dieses Jahr zum 22. Mal, daher wollten wir dabei sein und uns dieses – mit 8000 internationalen Besucher*innen aus Brasilien, den USA, Japan, Frankreich, Deutschland und Nachbarländern doch recht große – Festival genauer anschauen.

text Mimi García
redaktion Tina Huynh-Le
fotos Jo Zenk

Über Stock und über Steine

Unwissend was uns erwarten würde, kamen wir, nach einem entspannten Weg über unzählige Landstraßen, pünktlich zur Öffnung der Tore im Stemweder Bergtal an. So standen wir also, mitten auf einem Acker, im Staub, in einer ewig langen Schlange von Autos und warteten sehnlichst darauf, auf das Campinggelände zu kommen. Zu unserer Freude durfte man mit Sack und Pack bequem neben den eigenen Autos sein Lager aufschlagen.

Die Einquartierung wurde von vier Freiwilligen „überwacht“. Sprich: wir konnten Zelten wo wir wollten. Mit den Autos auf den Acker zu kommen wurde allerdings zu einem kleinen Abenteuer, denn es galt, sich über die sandigen Hügel zu kämpfen. Die Aussicht auf Regen an diesem Wochenende machte die Sache nicht unbedingt besser. Doch relativiert wurde die Angst, im Schlamm zu versinken, durch die vorausschauend ausgelegten Platten.


Silent und sauber

Dafür, dass das Waldfrieden Wonderland mit 8000 Besucher*innen schon zu den größeren Festivals gezählt werden kann, waren sowohl Campingplatz als auch Festivalgelände sehr übersichtlich.

Durch Zufall landeten wir im Silent Camp, das erst dieses Jahr neu eingeführt wurde. Obwohl für knappe 2000 Menschen gerade mal 15 Dixiklos zur Verfügung standen, hatte ich noch nie so saubere Dixieklos auf einem Festivalgelände gesehen. Das könnte durchaus auf auf das eher weniger betrunkene Publikum zurückzuführen sein.



Mit Pauken und Trompeten

Es ist immer spannend, zum ersten Mal auf ein Festival zu fahren, ohne zu wissen was auf einen zukommt. Vor allem, wenn man keinen einzigen Act kennt. Obwohl das Festival immer erst Freitag um 16 Uhr traditionell durch dem Stemweder Spielmannszug mit Pauken und Trompeten eröffnet wird, waren bereits am Donnerstag schon 5000 Besucher da, die sich sehnsüchtig auf das Wochenende freuten - uns miteingeschlossen.

Donnerstagabend fand genau eine Party statt: Die Warm Up Party im Backyard, die schon den richtigen Flér vermittelte: Es wird gut. Sehr gut. Bereits beim Betreten der sandigen Tanzfläche, mitgerissen von der Musik, dämmerte mir, dass es ein körperlich anstrengendes Wochenende werden würde… tanzen oder besser, stampfen bis der Arzt kommt.


Tief hinein in den Zauberwald

Die Location glich einem märchenhaften Zauberwald. Unzählige LED-Lichter, die sich der Musik und den Videoprojektionen anpassten, luden zu einem Ort voller Visionen und Träume ein, alles in Verbundenheit mit der Natur.
Die Deko wird jedes Jahr neu konzipiert und dieses Jahr bildete eine sechs Meter hohe Eule mit 18 Meter langen Flügeln das DJ Pult der Mainstage. Außerdem wurde erstmalig der Sand ausgetauscht, sodass es 60 Tonnen frisch gewaschenen Wesersand zum Abstampfen gab.

Auf vier Floors konnte man sich in allen Genres psychedelischer Musik verlieren. Goa, Trance, Techno, für jede*n war etwas dabei. Ich kannte keinen einzigen Act, wurde aber positiv von der konstant treibenden und zum Mittanzen anregenden Musik überrascht. Man konnte sich, egal auf welchem Floor, nur schwer losreißen, weil die Musik durchgehend gut war. In Kombination mit den Lasershows konnte einen das ja nur in Trance versetzen.



Peace, Love & Nature

Wer denkt, auf einem Goa- und Psytrance-Festival, wie dem Waldfrieden Wonderland, gehe es nur um schnelle Musik und wildes Abstampfen, hat sich geirrt, denn der Sinn dahinter liegt vielmehr in einem friedlichen, bewussten und nachhaltigen Zusammensein in einem märchenhaften Ambiente. Es geht um Verbundenheit mit der Natur und wie bei allen anderen Festivals darum, sich aus dem hektischen Alltag auszuklinken.

Da das Stemweder Bergtal Landschaftsschutzgebiet ist, spielt Umweltbewusstsein hier natürlich eine große Rolle. Laut Veranstalter*innen war das Hai in den Mai Festival, das auf dem gleichen Gelände stattgefunden hatte, mithilfe der Psy Clean Crew das sauberste in der Geschichte. Auch das Waldfrieden Wonderland wollte diesem Status quo folgen und hat die Besucher*innen unter dem Motto „Natur und Nachhaltigkeit“ vorab mit Taschenaschenbechern und Müllbeuteln ausgestattet, die bei Rückgabe mit fünf Euro vergütet wurden. Laut der Psy Clean Crew, die auf dem kompletten Gelände für Sauberkeit sorgen sollte, gab es allerdings dennoch ordentlich zu tun, denn das Publikum war beispielsweise im Hinblick auf Kippenstummel leider eher rücksichtslos gegenüber Mutter Natur.



Ein weiterer Lösungsansatz für Nachhaltigkeit war die Einrichtung von kostenlosen Shuttlebussen von den Bahnhöfen aus der Umgebung, um den Autoverkehr zu minimieren.

Um das Festival friedlich und entspannt zu halten, sind die Tickets auf 8000 Stück limitiert, sodass inklusive Sanitäter*innen und Securities nicht mehr als 8500 Menschen auf das Gelände können. Das familiäre und rücksichtsvolle Miteinander war in jeder Facette des Festivals zu spüren. Setzte man sich hin, um sich auszuruhen, wurde schnell von anderen Gästen gefragt, ob es einem gut geht oder ob man Hilfe und Wasser benötigt. Zudem wurde sich sehr um das Fotoverbot und den Datenschutz der Gäste bemüht.


Schamanismus und Osmosewasser

Das Programm gestaltete sich vielfältig und facettenreich. Abseits der Dancefloors konnte man sich in zahlreichen Yoga,- Meditations- und Healingworkshops zum Thema Schamanismus, Kreativität und Musik, zu Ruhe und Entspannung zurückziehen.

Das Essen von den Essensständen war generell ziemlich gut und für ein Festival sogar relativ preiswert. Die Speisen waren überwiegend vegan oder vegetarisch, was zur Gesamteinstellung des Festivals passt. Die Festival-Währung waren Waldmarkbons, die man vorab tauschen musste.

Des Weiteren gab es einen Foodsharing Stand, bei dem man seine Lebensmittel untereinander tauschen konnte. Dazu hatten die Gäste täglich Zugang zu kostenlosem Obst und Gemüse sowie zu einem Wasserspender mit frischem Osmosewasser.


Das Ende vom Lied

Wie auf jedem Festival muss man sich allein schon durch das Line Up auf drei anstrengende Tage gefasst machen: Schmerzende Beine und Füße von dem ganzen Gestampfe und den Erkundungstouren, Staub in allen möglichen Körperöffnungen und Haaren ( hier allerdings ein Vorteil, weil der Staub sich als gute Trockenshampoo-Alternative erwies) und eine sich immer weiter steigernde Toleranzgrenze gegenüber Dixiklos. 

Alles in allem bietet das Waldfrieden Wonderland eine gute Möglichkeit, sich ein paar Tage aus der Realität auszuklinken und vom Alltagsstress zu erholen. Die liebevoll dekorierte Location mit den vielen Laser- und Lichtershows vermittelt das Gefühl in einem Traum zu sein und dass jeden Moment Alice und das weiße Kaninchen um die Ecke kommen, um einen durch den Zauberwald zu begleiten.

Auch wenn man kein Goa-Fan ist, lohnt es sich also mal ein Psytrance-Festival mitzunehmen – besonders, wenn der erste Versuch beim Waldfrieden Wonderland stattfindet. Schnappt euch eure besten Buddys und freut euch auf ein ungewisses Abenteuer, das euch allein schon visuell, beeindrucken wird.

P.S.: Noch eine klitzekleine Anmerkung für Rollstuhlfahrer: Da das Gelände sich an einem relativ steilen Hang befindet, ist es wirklich schwer dieses barrierefrei zu gestalten. Bringt euch also am besten eine starke Unterstützung für die Abfahrt und matschige Tage mit.

Festivalfinder

Waldfrieden Wonderland 2019

22. – 25. August – Stemweder Bergtal


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