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Damals, damals im August:

Erinnerungen vom MS Dockville 2016


 
 

text Johannes Jacobi
redaktion Johannes Jacobi
fotos Sascha Krautz

Schöne Scheiße, schon November, schon fast Minusgrade und weit und breit kein ordentliches Festival in Sicht. Damals, damals im August, da war die Welt noch in Ordnung. Zehnjähriger Geburtstag in Hamburg und so. Nicht irgendwo in der Stadt, sondern auf einem Gelände für das andere Festival Veranstalter morden würden. Allein schon dieser Campingplatz…

 

Der hatte so überhaupt nix mit Stadt zu tun. Überall kleine Wege, versteckte Ecken zwischen Bäumen und Sträuchern, Hängematten im Schatten und Schubkarren-Taxiservice. Manche sind damals sogar mit dem Boot angereist. Warum auch nicht, war ja Geburtstag.

Die Gastgeber hatten sich schön herausgeputzt: Überall Luftballons, ziemlich viele kleine, große und schöne Bühnen, Kunst gut verstreut, Discokugeln im Baum und dann noch diese Kulisse auf der anderen Seite vom großen Wasser. Ja ja, damals im August…


Diese Musik war auch nicht schlecht. Abwechslungsreich, schön, hip, spannend, das Meiste davon musste man 2016 sowieso mal gesehen haben und neue Sachen gab es auch zu entdecken. Klingt banal und andere reden auch so über ihr Festival? Wirf doch nochmal ein Blick aufs Line-Up und versuch einen vergleichbaren Mix aus groß klein bekannt unbekannt national international zu finden. Wird ne Weile dauern, aber ist ja eh November und sonst nix los.

Eine weitere Auffälligkeit wäre da noch das Publikum. Gerade jetzt, wo draußen alles so trist und grau ist, wo alle angestrengt das Gesicht verziehen – gerade jetzt wärs doch schön wieder von all diesen hübschen, vielleicht etwas zu sehr glitzernden, aber trotzdem sehr hübschen Menschen umgeben zu sein! Ein paar dieser Menschen haben uns sogar in ihre Vorgärten eingeladen und ein bisschen was von ihrem Geburtstagserlebnis preisgegeben. Hört hört…

»Die Stimmung, die Musik, die Leute. Es ist einfach alles perfekt.
Aber gestern habe ich mich auf einen Zaun gesetzt und bin rücklinks runtergefallen. Hab mich dabei in Brennnesseln gesetzt und habe jetzt überall Schürfwunden. Das Sanitätszelt könnte leichter zu finden sein, ich hab es jedenfalls noch nicht gefunden.«

Elli / 17 / Eimsbüttel
Wichtigstes Konzert: U3000, Gloria, Milky Chance

»Heute Morgen bin ich halb sieben geweckt worden, weil zwei Stühle geklaut wurden. Da mussten wir uns leider erstmal ein bisschen kloppen. Ansonsten, dadurch … (Ein Passant unterbricht „You Guys aren’t selling any weed, don’t you?“) …dadurch, dass es nicht so ein großes Festival ist, finde ich es sehr schön. Das Künstlerische hier auch. Außerdem ist es sehr übersichtlich. Ich bin nicht so ein Fan von großen Festivals.«

Gerrit / 27 / Krefeld
Wichtigstes Konzert: Ry X

»Geile Leute von früher aus Hamburg. Die beste Atmosphäre einfach. Alle sind derbe gut gelaunt. Generell sind die Leute hier eher entspannt, weil nachts kurz Pause ist. Hier schläft das Festival im Vergleich zu anderen mal kurz und man hat nicht immer irgendwas. Dafür ist man tagsüber halt derbe ausgeruht. Die Organisation wurde übrigens auf jeden Fall gesteigert. Früher stand man bei dieser Brücke noch lange an. «

Max / 19/ Münster & Hamburg
Wichtigstes Konzert: Rødhåd, Karate Andi, Monoschwarz

»Gib mir zwei Kippen und wir machen das Interview.
Ist ganz schön viel Szene hier. Weniger Szene würde es besser machen.
Wie ich mich dem entgegenstelle? Saufen!
Bin ich auch Szene? Niemals würde ich mich so bezeichnen. Aber das ist ja vielleicht auch der Inbegriff der Szene, dass man sich niemals so bezeichnen würde. Keine Ahnung, ich bin zu breit um Geschichten zu erzählen. Das wird nichts hier, gib mir einfach zwei Zigaretten!«

Rixa / 21 / Bremen
Wichtigstes Konzert: Hab ich nicht

»Dockville ist zwar relativ klein, aber trotzdem international. Musikalisch ist es immer ein guter Mix aus allem und man lernt jedes Mal neue Lieblingsbands kennen. Vor ein paar Jahren wurde übrigens beim Sturzregen unser ganzes Zelt geflutet. Es war aber trotzdem das Dockville mit dem besten Wetter. «

David / 22 / Mainz
Wichtigstes Konzert: Foals

»Letztes Jahr auf dem Dockville hatte ich eine Kapitänsmütze, ich weiß gar nicht, wo ich die her hatte. Danach hat mich gefühlt der ganze Zeltplatz  Kapitän genannt. Das war mein Highlight, eine kleine Festivalberühmtheit zu sein. Ansonsten ist das Dockville für mich einfach pures Sommergefühl und Lebensfreude.«

Julian / 18 / Hamburg
Wichtigstes Konzert: Milky Chance

»Spontan, musikinteressiert und Spaß dabei. Hab die Karte heute geschenkt bekommen. Man hat hier gute Musik und kann auch kleinere Bands entdecken. Dazu kommen dann noch die Kunstsachen, die sind auch ganz cool.«

Anke / 43 / Erfurt
Wichtigstes Konzert: Rumgehen und gucken was es gibt

»Gute Musik, aber ich mag auch die ganzen Stände sehr. Es ist total schön gemacht und dementsprechend erwarte ich hier gute Stimmung. Im Vergleich zu anderen Festivals ist es ein bisschen kleiner und mit den Bäumen und den Kunstinstallationen finde ich es einfach schöner.«

Lea / 18 / Allensbach am Bodensee
Wichtigstes Konzert: Bastille

Genau. Vom Zaun gefallen, der Stühle beraubt und ein bisschen breit, aber zufrieden und glücklich – so war das damals im August. Und jetzt, da wir uns nochmal erinnert haben, fühlt sich der November gleich besser an. Nein, stimmt nicht, ist immernoch scheiß Wetter und fast Winter. Aber was solls, Tickets fürs Dockville 2017 gibts ja schon, vielleicht reisen wir einfach früher an. Bis bald!