
Nein, der Vorschlag der Bundesstiftung LiveKultur zur Finanzierung eines „Live Music Fund Germany“ durch eine Abgabe auf Ticketverkäufe hat nicht das Potential im Wahlkampf zu den Neuwahlen im Februar eine größere Rolle zu spielen.
Im Vereinigten Königreich ist es der Music Venue Trust, dessen amtierender Vorsitzender Mark Davyd mit Vehemenz proaktiv und mitunter provokant das Thema politisch aber auch innerhalb Konzertgeschäfts vorantreibt. Sein Wirken zieht zudem eine mediale Berichterstattung nach sich, die hierzulande ihres Gleichen sucht. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass selbst das geneigte Fachpublikum des Reeperbahn Festival bei diesem Panel durch maximale Abwesenheit glänzte und dies, obwohl die Nachrichtenlage von einer immer größer werdenden Kluft zwischen großen und kleinen Veranstaltungsformaten berichtet.
Während jedoch in England der aktuelle Minister für Kreativwirtschaft, gerade erst im November 2024 einen entsprechenden Aufruf mit dem Vermerk einer freiwilligen Abgabe zugunsten von Grassroots-Venues veröffentlichte, ist ein übergeordnetes Interesse hierzulande für ein vergleichbares Anliegen nahezu nicht wahrnehmbar.
Dazu gehört auch, dass dieses Thema nicht zuletzt anlässlich der anstehenden Neuwahlen weder in musik- oder kulturaffinen Medien, noch in politischen oder wirtschaftlichen Redaktionen Beachtung findet. Hinzu kommt, dass die einschlägigen hiesigen Verbände, anders als der Music Venue Trust, keineswegs in steter Regelmäßigkeit entsprechende Pressemitteilungen dazu veröffentlichen. Mit anderen Worten und frei nach Nia Archives ein „Unfinished Business“.
Eine Annahme, die nicht ganz abwegig ist.
Zumindest ein veritabler Kulturpolitiker hat sich im Dezember vergangen Jahres dann doch des besagten Phänomens angenommen. Fast schon konspirativ kam es unter seiner Leitung in der politischen Wirkungsstätte einer Landeshauptstadt zu einer Zusammenkunft von Funktionären, Firmenrepräsentant*innen und Lobbyist*innen, bei welchem die Bundesstiftung LiveKultur unversehens ihre Idee vorstellen und präsentieren konnte.
Erneut bestimmten Gefühle wie die der Überraschung sowie Fragen nach dem Warum und Weshalb vor Ort und danach die Gemüter der Teilnehmenden. Die Liste derer sowie die dazugehörige Präsentation liegen der Redaktion vor. Obgleich zu Beginn der Sitzung um Diskretion gebeten wurde, spricht jedoch die Marktlage mehr dafür als dagegen über besagtes Treffen zu berichten. In den Hintergrundgesprächen zu diesem Artikel war zu erfahren, dass einzelne Stimmen sich bereits hoffnungsfroh äußerten, wie denn etwaige Einnahmen verwendet werden könnten. Andere wünschten sich maximale Selbstbestimmung und Autonomie bei der Ausgestaltung möglicher Fördermaßnahmen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Die dazugehörige Präsentation jedenfalls liest sich diplomatisch einfühlsam. Kommt mit Wörtern wie „Microbetrag“ oder Argumenten, wie „verhindert mögliche Kulturgesetze wie in der Schweiz, Österreich und Dänemark oder staatliche Zwangsabgaben wie in Frankreich und stärkt dadurch die Eigenverantwortlichkeit der Branche“, daher. Mit Rücksicht auf die Gefühlslage der Gegner*innen jedweder Regulierungen oder Begrifflichkeiten wie „Abgaben“, wird auf die Angabe über die Höhe und Staffelung der angedachter Beträge an dieser Stelle verzichtet. Lediglich sei vermeldet es handelt sich dabei um sehr moderate Konditionen, welche in Summe einen Betrag in Höhe in etwa drei Millionen Euro zusammenbringen soll. Politisch, wie es gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen war, wird darüber hinaus ein freiwilliges Einvernehmen der Marktteilnehmenden für ein solches Vorhaben favorisiert.
Dass Freiwilligkeit und irgendwas mit Wirtschaft gut ausgeht ist gemeinhin mehr dem Wunschdenken anheimgestellt. Beispiel gefällig? Im November 2020 veröffentlichte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Hinblick auf den Anteil von Frauen in Führungspositionen eine Meldung unter der Überschrift „Eine verbindliche Quote wirkt, freiwillig tut sich nichts“. Im Dezember 2024 legte Tagesschau.de nach und berichtete „Frauenanteil in DAX-Vorständen auf Rekordwert“, während es gleichzeitig im Artikel „Von Geschlechter-Gleichstand weit entfernt“ heißt.
Nach den Neuwahlen dürfte es in Sachen „Live Music Fund Germany“ weitergehen. Ob und wie erfolgreich hängt nicht zuletzt davon, ob die Bundesstiftung LiveKultur hierzu die entsprechende Unterstützung aus den Kreisen potentiell Nutznießender erfährt. Dabei dürfte sich jene Klientel sich im eigenen Interesse daran üben, was es heißt politisch alle Register zu ziehen, wie es darum geht, der demokratischen Willensbildung für die Einführung dieses Fonds Vorschub zu leisten.
* https://cnm.fr/en/news/tax-on-concert-tickets/